Hirn abschalten auf den unteren Rängen: Niedrige Position in der Betriebshierarchie führt zu geistigem Abbau

Neue Forschungen zeigen, dass eine Stellung auf den untersten Hierarchieebenen, verbunden mit geringer Entscheidungsfreiheit und geringer Machtfülle, dazu führt, dass die Betroffenen geistig stark nachlassen
Amsterdam (Niederlande)/Nijmegen (Niederlande) - Hierarchien sind nur für die vorteilhaft, die oben sitzen. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Doch jetzt zeigt eine Studie niederländischer Forscher, dass sich Firmen um ihr geistiges Potenzial bringen können, wenn sie zu starke Hierarchien schaffen. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Psychological Science" zeigen, lassen Menschen auf unteren Hierarchie-Ebenen geistig nach. Die Forscher konnten dabei belegen, dass dieser Effekt allein durch die Einsortierung auf die unteren Hierarchieplätzen zustande kommt und nicht etwa dadurch, dass manche Menschen eben unten sitzen, weil sie ohnehin wenig können.

Rein willkürlich hatte das Team um Pamela Smith von der Radboud Universiteit Nijmegen ihre Versuchsteilnehmer hohen und niedrigen Positionen in einer Hierarchie zugeordnet. Anschließend sollten die Probanden den Stroop-Test machen, mit dem ihre Konzentrationsfähigkeit getestet wurde. Beim Stroop-Test steht ein Farbwort auf schwarzem Grund, wobei die Farbe, in der es geschrieben ist, nicht mit der Bedeutung des Farbwortes übereinstimmt. Das Wort "grün" wird beispielsweise in blauer Schrift präsentiert. Man kann hiermit testen, ob und wieweit es zu Verzögerungen bei der Benennung der Schriftfarbe kommt. Schon bei diesem Test schnitten die Teilnehmer, denen man zuvor niedrige Hierarchie-Positionen zugewiesen hatte, schlechter ab als jene auf den hohen Posten.

Nach dieser kleinen Konzentrationsaufgabe sollten die Versuchspersonen sich an den so genannten "Türmen von Hanoi" versuchen. Das ist ein bekanntes mathematisches Knobelspiel, das aus drei Stäben A, B und C besteht, auf die mehrere gelochte Scheiben gelegt werden, alle verschieden groß. Zu Beginn liegen alle Scheiben auf Stab A, der Größe nach geordnet, mit der größten Scheibe unten und der kleinsten oben. Ziel des Spiels ist es, den kompletten Scheiben-Stapel von A nach C zu versetzen. Bei jedem Zug darf die oberste Scheibe eines beliebigen Stabes auf einen der beiden anderen Stäbe gelegt werden, vorausgesetzt, dort liegt nicht schon eine kleinere Scheibe. Diejenigen, die auf die unteren Hierarchieplätze gesetzt worden waren, begingen deutlich mehr Fehler und brauchten mehr Züge, um zum Ziel zu kommen, als diejenigen, die die oberen Hierarchie-Plätze bekommen hatten.

Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen "direkte Implikationen für das Management und die Organisation". Bestimmte Branchen können sich stark ausgeprägte Hierarchien eigentlich gar nicht leisten, so die Forscher, es sei denn, man ist bereit, ein hohes Sicherheitsrisiko einzugehen. Als Beispiel nennen die Wissenschaftler das Gesundheitswesen. Wenn hier von Menschen, die unten in der Hierarchie einsortiert wurden, Fehler gemacht werden, kann es fatale Folgen haben. Solche Fehler sind noch tragischer, wenn sie einfach nur auf ausgeprägte Hierarchien zurückzuführen sind.

Association for Psychological Science / Eigene Recherche
Quelle: "Lacking Power Impairs Executive Functions", Pamela K. Smith, Nils B. Jostmann, Adam D. Galinsky und Wilco W. van Dijk, Psychological Science, Mai 2008, S. 441–447


 

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