Halbes Hirn hält Nachtwache

Die erste Nacht an einem unbekannten Ort schläft man oft schlechter, weil eine Hirnhälfte aktiver bleibt
Mit Hilfe einer Vielzahl von Elektroden können Forscher im Schlaflabor die Hirnaktivität messen.
Mit Hilfe einer Vielzahl von Elektroden können Forscher im Schlaflabor die Hirnaktivität messen.
© Michael Cohea/Brown University
Providence (USA) - In der ersten Nacht in einer unbekannten Umgebung schlafen viele Menschen nicht so gut wie gewohnt. Warum das so ist, darauf haben Forscher aus den USA jetzt einen Hinweis gefunden. Die Redensart, mit einem offenen Auge zu schlafen, liegt demnach gar nicht so falsch. Tatsächlich bleibt eine Hirnhälfte wacher als die andere, haben die Wissenschaftler beobachtet. In einer zweiten Nacht am Ort tritt dieses Phänomen nicht mehr auf, berichten sie im Fachblatt „Current Biology”. Dann besteht kein Unterschied mehr in der Hirnaktivität zwischen den beiden Hemisphären. Vermutlich handelt es sich um einen Überlebensinstinkt, um mögliche Gefahren in einem unbekannten und potenziell nicht sicheren Umfeld schneller bemerken und rasch darauf reagieren zu können.

„In Japan sagt man 'Wenn Du Dein Kissen wechselst, kannst Du nicht schlafen'”, erzählt Yuka Sasaki von der Brown University in Providence. „An einem neuen Ort schläft man nicht besonders gut. Wir alle wissen das.” Auch aus Forschungen in Schlaflaboren war bereits bekannt, dass Probanden in ihrer ersten Nacht im Labor nicht gut schlafen – der sogenannte First Night Effect. Daher werden die Daten für gewöhnlich verworfen. Sasaki und ihren Kollegen aber ging es nun genau um diese erste Nacht. Sie wollten wissen, warum viele Menschen unter diesen Umständen schlechter einschlafen können und eine unruhigere Nacht verbringen. Von manchen Vögeln und Meeressäugern – etwa von Delfinen – wissen Neurowissenschaftler, dass diese nur mit einer Hirnhälfte schlafen, während die andere Wache hält. Das warnt die Tiere vor möglichen Gefahren oder schützt sie vor dem Ertrinken. Diese Tatsache brachte die Forscher dazu, beim Menschen in unbekannter Umgebung ebenfalls nach einem vergleichbaren Schutzmechanismus zu suchen, der mit dem First Night Effect einhergeht.

Mit Hilfe einer Kombination verschiedener Techniken analysierten Sasaki und ihre Kollegen den Schlaf und insbesondere die nächtliche Hirnaktivität von 35 Probanden in zwei Nächten, die eine Woche auseinander lagen. Neben Magnetresonanztomographie, einem bildgebenden Verfahren, setzten sie auch sogenannte Magnetoenzephalographie ein, eine Technik zur Messung der magnetischen Aktivitäten im Hirn, sowie Polysomnographie, eine Methode zur kontinuierlichen Messung diverser Körperfunktionen während des Schlafs.

Die gewonnenen Daten zeigten eine eindeutige Asymmetrie zwischen den Aktivitäten der beiden Hirnhälften in der ersten Nacht im Schlaflabor. Ein bestimmtes Netzwerk in der linken Hirnhälfte blieb deutlich aktiver, also quasi wacher, als in der rechten Hemisphäre, insbesondere in einer speziellen Tiefschlafphase. So reagierte das Gehirn auch stärker auf Geräusche, die das rechte Ohr – und damit die linke Hirnhälfte – erreichten. Der Schlaf war leichter und die Aufmerksamkeit geschärft, sodass die Probanden eher aufwachten. Je stärker die beobachtete Asymmetrie war, desto länger brauchten die Teilnehmer auch zum Einschlafen, was ein deutliches Anzeichen für den First-Night-Effect ist. In anderen Schlafphasen und anderen Netzwerken fanden die Forscher dagegen keine Asymmetrie. In der zweiten Versuchsnacht traten die Unterschiede nicht mehr auf. Ihres Wissens, schreiben Sasaki und ihre Kollegen, sei eine solche Asymmetrie im Zusammenhang mit dem First-Night-Effect bislang nie beim Menschen untersucht worden.

Die hier analysierten Daten sind bislang allerdings nur ein Ausschnitt des gesamten Schlafs – sowohl räumlich als auch zeitlich. Die Messungen umfassen lediglich vier Netzwerke im Gehirn und auch längst nicht alle Schlafphasen. Die Ergebnisse zeigen wachhabende Strukturen in der linken Hirnhälfte. Es ist aber zum Beispiel nicht klar, ob das über die gesamte Nacht hinweg so ist oder ob die Wache in Schichten abläuft. „Es ist möglich, dass die wachenden Hemisphären sich abwechseln”, sagt Saskai. Ebenso könnten auch andere Netzwerke eine Rolle bei der Wachablösung spielen.

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