Haie jagen mathematisch-physikalisch
"Die Ergebnisse zeigen, dass die Bewegungen von Tieren bis zu einem bestimmten Grad vorhersagbar sind, im Zusammenhang mit der Umgebung, in der sie sich bewegen", erklärt David Sims vom Marine Biological Association Laboratory im britischen Plymouth: "Bei Fischen könnte dies helfen, so glauben wir, eine neue Welle räumlich strukturierter Populationsmodelle zu konstruieren, die uns effektiver beim Managen eines Bestandes helfen werden, angesichts etwa von Überfischung und Klimaveränderung". Gemeinsam mit Kollegen in Großbritannien, Irland, Portugal, der Schweiz und den USA war Sims an die Datensammlung herangegangen. 55 Meeres-Raubfische 14 verschiedener Arten hatten sie mit winzigen Messgeräten versehen, darunter Seidenhai (Carcharhinus falciformis) und Gelbflossen-Thunfisch (Thunnus albacares), aber auch Mondfisch (Mola mola), Walhai (Rhincodon typus) und mehrere Schwertfisch-Arten. Über einen Zeitraum von 5700 Tagen wurden so im nordöstlichen Atlantik und dem östlichen und nördlichen Pazifik rund 13 Millionen Bewegungen aufgezeichnet. Dieses enorme Datenset konnten Sims und Kollegen bei der Analyse in Teilbereiche herunter brechen, die für sich jeweils konsistenteres Bewegungsverhalten zeigten als das große Ganze: Offenbar wechseln die frei beweglichen Wildtiere zwischen Brownscher Bewegung und Lévy-Flügen, je nach Beutetier-Verfügbarkeit in der jeweiligen Umgebung.
Dies hatten in den vergangen Jahren verschiedene Biologen als Hypothese in den Raum gestellt - es hatte allerdings bisher nie in der Wildnis überprüft werden können. Eine besondere Schwierigkeit dabei ist, die Bewegungen der Tiere in ihre unterschiedlichen Phasen zu unterteilen, die auch Wanderbewegungen und Ruhephasen einschließen. Auch Kritikern gegenüber, die die Akkuratheit der Analyse infrage stellen, sieht sich Sims gewappnet: "Wir wandten auf dieses größte je so analysierte Datenset die verlässlichste und robustesten statistischen Analysetechniken an", sagte er gegenüber der Online-Plattform Physicsworld. Zum Einsatz kamen etwa so genannte Maximum-Likelihood-Methoden, ein parametrisches Schätzverfahren in der Statistik, um auf Lévy-Muster in Zusammenhang mit Umweltgradienten zu testen. Für 14 Fischarten fanden die Forscher deutliche Belege für die Hypothese. Dann testeten sie das räumliche Vorkommen von Lévy- und Brownscher Bewegung und konnten diese Bewegungen tatsächlich den Nahrungsärmeren bzw. -reicheren Umgebungen zuordnen. Künftig wollen Sims und Kollegen ihre Untersuchungen auch auf andere Meerestiere ausweiten, die in der Nahrungskette weiter unten stehen, etwa auf Meeresschnecken und Oktopusse.