Häufige Ekel-Empfindung deutet auf konservative Grundhaltung hin
"Schon seit Längerem wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass viele unserer moralischen Werte von Emotionen gesteuert werden", erklärt David A. Pizarro von der Cornell University. "Besonders Ekel scheint eines der Gefühle zu sein, die für moralische Urteile herangezogen werden." Für ihre Forschung untersuchten Pizarro und seine Kollegen die politischen Einstellungen von 181 Erwachsenen aus US-Bundesstaaten mit politisch konservativ und liberal orientierter Bevölkerung. Außerdem stellten sie bei den Probanden die individuellen "Ekel-Grenzen" mit Hilfe der "Disgust Sensitivity Scale" fest. Dabei ergab sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer niedrigen "Ekel-Schwelle" und einer politisch konservativen Einstellung. Besonders deutlich wurde dies bei den Einstellungen zu Schwulen und Lesben: Wer sich schnell ekelte, war meist auch gegen homosexuelle Beziehungen und eingetragene Partnerschaften von Schwulen und Lesben.
Die Studien der Forscher zeigen auch, dass Liberale und Konservative uneins darüber sind, ob Ekel überhaupt ein eigenständiges Argument in moralischen Urteilen sein kann. Konservative behaupten gern, dass eine "innere Weisheit" darin liege, etwas aus Ekel abzulehnen, auch wenn sonst nichts dagegen spricht. Liberale dagegen weisen dies zurück. Sie wollen ihre Urteile lieber darauf gründen, ob etwas tatsächlich schädlich ist.
Wenn Menschen der Ansicht sind, dass allein ihr persönliches Ekel-Gefühl ausreiche, um etwas ablehnen zu dürfen, dann kann dies tragische Folgen haben, sagen die Forscher. Dann gäbe es nämlich auch eine Legitimation, bestimmte Minderheiten abzulehnen, weil diese angeblich eklige Eigenschaften oder Gewohnheiten haben. "Ekel hat tatsächlich einen Sinn, nämlich uns vor Krankheiten zu schützen", sagt Pizarro. "Aber er hat sich nicht zum Zweck der moralischen Urteilsbildung entwickelt. Wir sollten deshalb sehr wachsam sein, welchen Einfluss Ekel tatsächlich hat."
"Disgust sensitivity predicts intuitive disapproval of gays", Inbar, Yoel; Pizarro, David A.; Knobe, Joshua; Bloom, Paul; Emotion, 2009; 9 (3): 435 DOI: 10.1037/a0015960