Gute Nachbarn – Böse Nachbarn

Vögel siedeln sich weniger in Gegenden an, in denen Räuber vorkommen
Die Östliche Kreischeule (Megascops asio) ist eine der kleinsten Eulen Amerikas und erreicht nur eine Körpergröße von gut zwanzig Zentimetern.
Die Östliche Kreischeule (Megascops asio) ist eine der kleinsten Eulen Amerikas und erreicht nur eine Körpergröße von gut zwanzig Zentimetern.
© Wolfgang Wander, Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 Unported (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en)
Gainesville (USA) - Wer wünscht sich schon Nachbarn, die einem nach dem Leben trachten? Auch Vögel meiden eine solch gefährliche Nachbarschaft: In einer Gegend, wo deutliche Laute von Räubern zu hören sind, lassen sie sich merklich weniger nieder, berichten US-Biologen im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences”. Die Ergebnisse ihrer Feldversuche, in denen sie Waldstücke mit Tonaufnahmen von räuberisch lebenden Vogelarten beschallten, bestätigen, dass die Anwesenheit von räuberischen Spezies den regionalen Artenreichtum und die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften beeinflusst.

„Es gibt nur eine Handvoll Beobachtungsstudien und noch weniger Experimente dazu, ob die Bedrohung durch Räuber die Struktur landlebender Wirbeltier-Gemeinschaften beeinflussen kann“, schreiben Fangyuan Hua von der University of Florida und Kollegen. Die Biologen fragten sich einerseits, ob die wahrgenommene Bedrohung durch Räuber die Struktur brütender Vogelgemeinschaften formen kann. Andererseits wollten sie herausfinden, ob sich mögliche Reaktionen einzelner Arten vorhersagen lassen – aufgrund bestimmter Eigenschaften wie etwa der Lebenserwartung. So könnte eine lange Lebensdauer bewirken, dass Vögel mehr auf sich selbst als auf ihren Nachwuchs achten, da sie auch später noch Gelegenheit zur Fortpflanzung haben werden. Diese Arten würden demnach eher solche Räuber vermeiden, die ausgewachsene Vögel jagen. Umgekehrt wären kurzlebige Spezies eher bedacht, den Nachwuchs zu schützen und würden insbesondere vor Räubern flüchten, die es auf Jungtiere abgesehen haben.

Um diesen ökologischen Zusammenhängen näher auf den Grund zu gehen, hatten die Biologen sich in Floridas Wälder begeben. In einzelnen Teilgebieten spielten sie Tonaufnahmen von drei Vogelarten ab, die sich primär oder zumindest gelegentlich von Vögeln ernähren: Rundschwanzsperber (Accipiter cooperii), Blauhäher (Cyanocitta cristata) und Östlicher Kreischeule (Megascops asio). Während der Rundschwanzsperber ausgewachsene Vögel zur Beute hat, handelt es sich beim Blauhäher um einen Nesträuber. Die Kreischeule wiederum macht vorwiegend Jagd auf ausgewachsene Vögel, selten aber auch auf Nestlinge. Die Forscher unternahmen bei ihren Experimenten keine Versuche, natürlich vorkommende Räuber aus einem Gebiet zu entfernen oder ihr Räubern zu unterbinden. Sie analysierten, ob und wie sich die veränderte Geräuschkulisse auf die ansässigen Arten auswirkte.

Es zeigte sich: Tatsächlich reduzierte die wahrnehmbare Bedrohung durch Räuber den Artenreichtum in dem beschallten Waldstück um knapp sieben bis knapp zwölf Prozent. Dementsprechend veränderte sich auch die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften. Auch die Körpergröße spielte mitunter eine Rolle – zumindest auf die scheinbare Anwesenheit von Kreischeulen, eine der kleinsten Eulenarten Amerikas, reagierten kleinere Spezies ein wenig stärker. Die Vermutung, dass langlebige Spezies insbesondere solche Räuber vermeiden würden, die ausgewachsene Beute bevorzugen, und kurzlebige mehr jene, die es auf Jungvögel abgesehen haben, ließ sich allerdings nicht bestätigen.

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Quelle: „Too risky to settle: avian community structure changes in response to perceived predation risk on adults and offspring”, Fangyuan Hua et al.; Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2013.0762


 

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