Grippe erhöht Risiko einer bakteriellen Lungenentzündung hundertfach

Computersimulation zeigt, wie stark sich die Viruserkrankung auf eine nachfolgende Infektion durch Pneumokokken auswirkt
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) bilden paarweise gelagerte Einzelzellen (gefärbte rasterelektronenmikroskopische Aufnahme).
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) bilden paarweise gelagerte Einzelzellen (gefärbte rasterelektronenmikroskopische Aufnahme).
© Dr. Richard Facklam / Centers for Disease Control and Prevention
Ann Arbor (USA) - Während einer Grippewelle steigt auch die Zahl bakterieller Lungenentzündungen durch Pneumokokken. Aber auf welche Weise die Infektion mit Influenzaviren eine nachfolgende Infektion durch Bakterien beeinflusst, war bisher nicht genau geklärt. So könnte eine Grippe entweder die Übertragung von Pneumokokken auf andere Menschen begünstigen, die Krankheitssymptome der bakteriellen Lungenentzündung verstärken oder die Wahrscheinlichkeit einer Pneumokokkeninfektion erhöhen. Durch eine Computersimulation mit realen Fallzahlen von Erkrankungen kommen amerikanische Forscher jetzt zu einem eindeutigen Ergebnis: In der ersten Woche einer Grippeerkrankung steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Lungenentzündung durch Pneumokokken auf das 100-Fache an, berichten die Wissenschaftler im Fachjournal „Science Translational Medicine“.

Das beste Mittel, um das Risiko einer bakteriellen Lungenentzündung zu verringern, bestünde darin, die Bevölkerung dazu zu bringen, sich sowohl gegen Grippe als auch gegen Pneumokokken impfen zu lassen, sagt Pejman Rohani von der University of Michigan in Ann Arbor. Die Ergebnisse seines Forscherteams sollen dazu beitragen, bessere vorbeugende und therapeutische Maßnahmen zu entwickeln, um die Zahl lebensbedrohlicher Lungenentzündungen während der Grippesaison zu senken. Mit Hilfe eines Computermodells werteten die Forscher wöchentliche Fallzahlen von Grippeerkrankungen und Lungenentzündungen durch Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) aus, die im Verlauf von zehn Jahren von Krankenhäusern in Illinois mitgeteilt wurden. Sie kommen zu dem Schluss, dass während der Hauptgrippezeit bis zu 40 Prozent der registrierten Lungenentzündungen mit Influenzavirus-Infektionen gekoppelt sind. Insgesamt steigt demnach bei einer Grippe in den ersten fünf bis sieben Tagen die Wahrscheinlichkeit einer Pneumokokkeninfektion der Lungen auf das Hundertfache an.

Aus Tierversuchen ist bekannt, dass eine Infektion durch Grippeviren die Immunabwehr gegen Pneumokokken stark schwächt, so dass bereits eine ganz geringe Erregerdosis ausreicht, um eine Lungenentzündung auszulösen. An der Spanischen Grippe von 1918/19 starben weltweit mehr als 25 Millionen Menschen. Nach Angaben der Autoren zeigten mindestens 24 Prozent der Todesopfer auch Anzeichen einer Infektion durch Pneumokokken. Es ist daher anzunehmen, dass nicht allein ein besonders aggressiver Typ von Influenzaviren für die hohe Todesrate verantwortlich war. Lungenentzündungen durch Pneumokokken, Staphylokokken oder Haemophilus-Bakterien könnten wesentlich zum tödlichen Krankheitsverlauf beigetragen haben.

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