Gibt es einen Da-Vinci-Code im Letzten Abendmahl?

Auch seriöse Forscher fragen sich, ob Leonardo durch bestimmte Bild-Elemente in seinem berühmten "Letzten Abendmahl" eine Botschaft senden wollte - besonders der Salzstreuer, der Fisch und das Brot geben kanadischen Forschern Rätsel auf
Il Cenacolo von Leonardo da Vinci, Wandgemälde in der Kirche Santa Maria delle Grazie in Mailand
Il Cenacolo von Leonardo da Vinci, Wandgemälde in der Kirche Santa Maria delle Grazie in Mailand
© Wikipedia / Public Domain
Montréal (Kanada) - In seinem berühmten Wandgemälde "Das Letzte Abendmahl" hat Leonardo da Vinci möglicherweise durch manche Bildelemente Botschaften transportiert, die Aufschluss über Leonardos Religionsauffassung geben könnten. Besonders der Salzstreuer, der Fisch und das Brot sind kanadischen Forscherteam aufgefallen. Der Salzstreuer könnte sogar ein Indiz dafür sein, dass Leonardo Judas gar nicht als Verräter aufgefasst hat.

"Wir haben uns gefragt, warum Da Vinci diese speziellen Nahrungsmittel ausgewählt hat, obwohl sie gar nicht zu dem passen, was die Evangelisten beschrieben haben", erklärt Olivier Bauer von der Université de Montréal. "Warum gibt es da Brot, Fisch, Salz, Zitrusfrüchte und Wein? Warum ist der Salzstreuer vor Judas umgefallen? Warum ist das Brot gesäuert?"

Das Team um Olivier Bauer von der Université de Montréal fragt sich, ob gerade der Salzstreuer Judas nicht rehabilitieren könnte: "Die bisherigen Kommentatoren nahmen das verschüttete Salz gewöhnlich als Zeichen dafür, dass Judas sich dem Bund verweigerte, den Jesus seinen Jüngern anbot." Denn Salz deutet biblisch auf das Wort Jesu hin: "Ihr seid das Salz der Erde" (Matthäus 5, 13). Doch das verschüttete Salz lässt sich auch anders interpretieren: "Der umgefallene Salzstreuer könnte ein Zeichen nicht für die Bosheit, sondern für das Unglück des Judas sein. Der umgefallene Salzstreuer - traditionell das Zeichen für Unglück - könnte dazu dienen, Judas zu rehabilitieren, indem man annimmt, dass er nur noch die Rolle erfüllen konnte, die das Schicksal ihm zugeteilt hatte."

Der Fisch wurde ebenfalls schon in anderen Interpretationen des Wandgemäldes als bedeutsam angesehen. Zum einen erinnert er sicherlich daran, dass Jesus eine lange Zeit seines Lebens am See Genezareth verbracht hat. Und Fisch taucht auch in verschiedenen Wundern auf, die Jesus der Überlieferung nach vollbracht hat. Doch mit dem dargestellten Fisch könnte es noch eine ganz andere Bewandtnis haben, wenn man sich die italienischen Bezeichnungen vergegenwärtigt, die Leonardo benutzt haben dürfte. Falls es sich bei dem Fisch um Hering handelt, heißt der auf Italienisch "aringa". Hierzu gibt es im Italienischen eine Homophonie - einen Gleichklang zweier unterschiedlicher Wörter -, nämlich mit "arringa", was 'Plädoyer' oder 'Ansprache' heißt. Das deutet auf denjenigen hin, der etwas lehrt oder etwas kundtut. Olivier Bauer und seine Kollegen weisen aber noch auf einen anderen Anklang hin: "In Norditalien nennt man eine Sardine oder einen Hering 'renga', eine Verkleinerungsform, die auch an das Wort 'rinnegato' - 'Renegat' denken lässt, also an denjenigen, der die Religion leugnet." Da Leonardo Norditaliener war, war ihm vermutlich die Bezeichnung "renga" vertraut.

Das Brot schließlich identifizieren die Forscher anhand seiner Form als gesäuertes Brot. Es handle sich hier also nicht um die Matze, das ungesäuerte Brot, das der jüdischen Religion gemäß am Sederabend des Pessach-Festes gegessen wird. Hierin könne man eine "Dejudaisierung" sehen, durch den Wein, der zudem auch nur halbvoll in den Bechern ist, werde aber die Szene wieder "rejudaisiert". Vermutlich aber ist Leonardo, so die Forscher, beim Brot - wie auch bei den Zitrusfrüchten - eher von dem ausgegangen, was auf einen Esstisch im Zeitalter der Renaissance kam, und dazu gehörten eben unter anderem Brot und Früchte.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "A table avec Léonard", Olivier Bauer, Nancy Labonté, Sébastien Filion, Jonas Saint-Martin; bisher unveröffentlichtes Manuskript


 

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