Gib dem Affen mal 'ne Lesebrille!

Zwergschimpansen entwickeln wie der Mensch eine Altersweitsichtigkeit
Der 45jährige Ten braucht für die Inspektion des Fells einen Abstand von 40 bis 45 Zentimetern - in dieser Entfernung sieht er offenbar scharf.
Der 45jährige Ten braucht für die Inspektion des Fells einen Abstand von 40 bis 45 Zentimetern - in dieser Entfernung sieht er offenbar scharf.
© Heungjin Ryu (CC BY-NC 4.0)
Kyoto (Japan) - Im Alter werden bekanntlich gerne mal die Arme zu kurz, wie mancher Mittvierziger scherzend festzustellen pflegt. Gemeint ist, dass die Augen in der Nähe nicht mehr wie gewohnt arbeiten und es zunehmend schwer fällt, etwa beim Lesen noch scharf zu sehen. Eine Lesebrille schafft Abhilfe und wird zum treuen Begleiter. Die Weitsichtigkeit mit zunehmendem Alter ist aber nicht alleine ein menschliches Problem, wie japanische und britische Forscher nun festgestellt haben. Menschenaffen werden ebenso altersweitsichtig. Je älter sie sind, desto weiter strecken sie die Arme aus, wenn sie bei ihren Artgenossen Fellpflege betreiben. Das haben die Wissenschaftler bei Zwergschimpansen in freier Wildbahn beobachtet, wie sie im Fachblatt „Current Biology” berichten. Sie bestätigen damit anekdotische Berichte über eine mögliche Weitsichtigkeit bei Menschenaffen, die aber bislang nicht systematisch untersucht worden war.

„Wir haben herausgefunden, dass die Symptome von Weitsichtigkeit bei Zwergschimpansen um das 40. Lebensjahr einsetzen”, erzählt Heungjin Ryu vom Primate Research Institute an der Universität Kyoto. „Wir waren überrascht, dass das bei Zwergschimpansen auftretende Muster dem bei modernen Menschen so auffällig ähnlich ist.” Das lege nahe, dass sich der Alterungsprozess der Augen seit den gemeinsamen Vorfahren von Schimpansen und Menschen nicht verändert hat – und das sogar, obwohl die Lebenserwartung des modernen Menschen weit größer ist. Die Entwicklung von Weitsichtigkeit ist demnach offenbar nicht allein auf den modernen Lebenswandel zurückzuführen, der mit viel Lesen und Computerarbeit und Ähnlichem verbunden ist, welche die Augen anstrengen können.

Ryu und Kollegen hatten sich Fotos näher angeschaut, auf denen insgesamt 14 wild lebende Zwergschimpansen im Alter zwischen 11 und 45 Jahren zu sehen waren, die grade einem Artgenossen bei der Fellpflege halfen. Sie bestimmten, in welchem Abstand die Menschenaffen das Fell inspizierten und analysierten außerdem, ob und wie dieser Abstand abhängig von Alter oder Geschlecht variierte. Es zeigte sich: Je älter die Zwergschimpansen waren, desto weiter streckten sie ihre Arme aus, während sie das Fell ihrer Artgenossen untersuchten. Von den späten 30ern bis zu den frühen 40ern stieg die Distanz massiv an. Das Geschlecht spielte dagegen keine Rolle. „Ich hätte nicht erwartet, dass das Alter ein so starker Faktor für Weitsichtigkeit ist”, sagt Ryu.

Von einem der Tiere gab es zudem alte Videos. Anhand dieser Aufnahmen konnten die Biologen zeigen, dass sich dessen Augen in der Tat mit der Zeit verschlechtert hatten. Schließlich verglichen sie die Abstände noch mit der minimalen Distanz, in der Menschen verschiedenen Alters noch scharf sehen können. Diese Analysen zeigten, dass die Entwicklung der Weitsichtigkeit sehr der beim Menschen ähnelt.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Long-sightedness in old wild bonobos during grooming”, Heungjin Ryu et al.; Current Biology, http://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(16)31068-5


 

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