Gewalt in den Medien färbt nicht auf Gesellschaft ab
„Die Gesellschaft hat eine eingeschränkte Menge an Ressourcen und Aufmerksamkeit, die sie dem Problem widmen kann, die Zahl von Verbrechen zu verringern“, erläutert Christopher J. Ferguson vom Department of Psychology an der Stetson University. „Es besteht das Risiko, das falsche Problem zu identifizieren, etwa Gewalt in den Medien.“ Das lenke die Gesellschaft von weit dringenderen Belangen ab, wie Bildung, berufliche Ungleichheiten und geistige Gesundheit. Diese Forschung könne der Gesellschaft helfen, sich auf diejenigen Probleme zu konzentrieren, die wirklich von Bedeutung sind.
Für seine erste Studie hatte Ferguson den Anteil gewalttätiger Inhalte in den erfolgreichsten Filmen der Jahre 1920 bis 2005 bestimmt – insgesamt 90 Werke. Dazu beurteilten unabhängige Bewerter Minute für Minute, wie viel Gewalt ein Film enthielt. Als Gewalt zählte dabei etwa jeglicher Akt von Schlagen, Treten, Schubsen, Schießen oder Stechen, mit dem absichtlich Schaden oder Verletzungen zugefügt oder sogar getötet wurde. Ebenfalls berücksichtigt waren Kriegsszenen, Vergewaltigung, Folter, Würgen oder Überfälle. Den jeweiligen Anteil an Gewalt in den Filmen setzte der Psychologe zu den verzeichneten Morden pro Kopf der entsprechenden Jahre in Bezug. Das Ergebnis: Insgesamt betrachtet fand sich keine Verbindung zwischen dem Ausmaß an fiktiver und realer Gewalt. Lediglich Mitte des 20. Jahrhunderts schien tatsächlich beides leicht miteinander zu korrelieren. In diesen Jahrzehnten hätte demnach durchaus der Eindruck entstehen können, dass ein ursächlicher Zusammenhang bestehen könnte. Doch das ist Fergusons Analysen zufolge ein Trugschluss, denn dieser Effekt war nicht von Dauer. Sowohl vor 1940 als auch nach 1990 war es genau umgekehrt: In diesen Zeitabschnitten traf mehr Gewalt im Film mit weniger Mordfällen zusammen. Auf lange Sicht ist dies aber lediglich ein zeitlich begrenzter Trend.
Noch eindeutiger waren die Analysen aus Fergusons zweiter Studie. Hier hatte er das Vorkommen von Gewalt in beliebten Videospielen der Jahre 1996 bis 2011 eingeschätzt. Diese Werte setzte er in Bezug zum Auftreten von Jugendgewalt in den jeweiligen Jahren. Das Ergebnis: Der Konsum gewalthaltiger Videospiele ging sogar stark mit weniger Gewalttaten unter Jugendlichen einher. Diese Korrelation hält der Psychologe allerdings eher für Zufall als für einen ursächlichen Zusammenhang. So zeigen auch die Daten seiner anderen Studie, dass solche Zusammenhänge über längere Zeiträume hinweg deutlichen Schwankungen unterliegen.
Viele bisherige Studien haben sich mehr auf Laborexperimente gestützt, aber kaum auf mögliche Effekte auf die Gesellschaft als Ganzes geblickt – schon gar nicht über solch lange Zeiträume. Die Ergebnisse solcher Versuche sind daher nicht unbedingt auf das echte Leben übertragbar. Fergusons Analysen zeigen nun: Auch wenn Filme und Videospiele durchaus mit der Zeit immer mehr Gewalt enthielten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass dadurch ein reales Problem für die Gesellschaft entstanden ist.