Gestresste Bäume geben Hormone in die Atmosphäre ab

Über Botenstoffe in der Luft können Pflanzen kommunizieren - und die Luftqualität verändern
Spezielle, für die Luftanalyse eingesetzte Messtürme
Spezielle, für die Luftanalyse eingesetzte Messtürme
© Carlye Calvin, UCAR
Boulder (USA) - Auf Schädlingsbefall und andere ungünstige Umweltbedingungen reagieren Pflanzen mit Schutzmechanismen. Dabei spielt das leicht flüchtige Hormon Methyl-Salicylsäure als Signalstoff eine wichtige Rolle. Jetzt haben amerikanische Forscher erstmals nachgewiesen, dass sich in der Luft über einem Waldgebiet große Mengen des freigesetzten Pflanzenhormons ansammeln können. Die Bäume bildeten die chemisch dem Aspirin ähnliche Substanz als Reaktion auf Wassermangel und starken Temperaturabfall. Methyl-Salicylsäure aktiviert die Immunabwehr und könnte als Warnsignal zur Kommunikation zwischen einzelnen Pflanzen innerhalb eines größeren Ökosystems dienen. Sein Gehalt in der Luft über forst- oder landwirtschaftlich genutzten Flächen würde einen Hinweis auf Wachstum und Gesundheit der Pflanzen liefern, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt "Biogeosciences".

"Unsere Messungen zeigen, dass große Mengen der Verbindung in der Atmosphäre messbar sind, wenn Pflanzen auf Trockenheit, extreme Temperaturen oder andere Stressformen reagieren", sagt Thomas Karl vom National Center for Atmospheric Research in Boulder. Aus Laborversuchen war zwar bereits bekannt, dass Methyl-Salicylsäure bei Pflanzen als Hormon wirkt und Schutzreaktionen auslöst. Dass aber der Botenstoff in größerem Ausmaß in die Atmosphäre freigesetzt werden kann und einen wichtigen Bestandteil der so genannten "flüchtigen organischen Verbindungen" der Luft ausmacht, wusste man nicht. Möglicherweise beeinflusst die Substanz die Luftqualität und das lokale Klima.

Die Forscher analysierten die Luft über einem Walnusswäldchen. Ihre Messinstrumente waren in einer Höhe von 30 Meter über dem Boden angebracht. Bei Wassermangel und ungewöhnlich starkem Temperaturabfall in der Nacht stiegen die Werte für Methyl-Salicylsäure stark an. "Offenbar besitzen die Bäume die Fähigkeit, über die Atmosphäre miteinander zu kommunizieren", sagt Teammitglied Alex Guenther. Wenn andere Pflanzen ebenso reagieren, könnten sich neue Möglichkeiten ergeben, um bei Nutzpflanzen frühzeitig eine Erkrankung oder andere Schäden zu entdecken. Ein solcher Nachweis von Stressschäden über chemische Signale wäre wesentlich effektiver als visuelle Inspektionen, sagt Karl. In Land- und Forstwirtschaft könnten dann früher Gegenmaßnahmen ergriffen und Schäden begrenzt werden. Welche ökologischen Auswirkungen der bisher übersehene Bestandteil der Luft haben kann, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

National Center for Atmospheric Research
Quelle: "Chemical sensing of plant stress at the ecosystem scale", Thomas Karl et al., Biogeosciences, Vol. 5, p. 1287, 2008


 

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