Gentherapie: Impfung gegen Nikotinsucht
„Unser Impfstoff bringt den Körper dazu, seine eigenen monoklonalen Antikörper gegen Nikotin zu produzieren und auf diese Weise eine Immunität zu entwickeln“, erklärt Ronald Crystal vom Weill Cornell Medical College in New York. Die Idee, durch eine Impfung den Körper gegen das Suchtmittel Nikotin unempfindlich zu machen, ist nicht neu. Allerdings waren die bisherigen Versuche dazu bislang fehlgeschlagen. Das Problem: Bei einer aktiven Immunisierung – Beispiel Grippeimpfung – injiziert man eine Fremdsubstanz und regt damit das Immunsystem an, Antikörper dagegen zu bilden. Dieses Verfahren ist aber bei kleinen Molekülen wie dem Nikotin nicht erfolgreich. Eine passive Immunisierung beruht auf der Injektion maßgeschneiderter, im Labor hergestellter Antikörper. Gegen diese Methode spricht die begrenzte Lebensdauer der Antikörper. Das würde häufige und damit teuere Injektionen erfordern, um den benötigten, länger andauernden Effekt zu erzielen.
Das von Crystal und seinem Team gewählte Verfahren der Gentherapie ist eine dritte Möglichkeit der Impfung. Dabei wird ein Gen in Körperzellen eingeschleust, das die Produktion eines Proteins – in diesem Fall eines Nikotin-Antikörpers – bewirkt. Für die Übertragung des Gens nutzten die Forscher sogenannte Adeno-assoziierte Viren (AAV), die keine Krankheiten auslösen. Diese Gen-Taxis waren so konstruiert, dass sie das Antikörper-Gen nur in Leberzellen einschleusten. Im Blut so behandelter Mäuse blieb 18 Wochen lang ein hoher Spiegel an Nikotin-Antikörpern messbar. Wurde diesen Tieren Nikotin verabreicht, gelangte nur wenig davon ins Gehirn. Die Nikotinkonzentration erreichte dort nur 15 Prozent des Wertes nicht geimpfter Mäuse. 83 Prozent des Suchtmittels im Blut war an Antikörper gebunden. Ohne Impfschutz reagieren Mäuse auf Nikotin mit nachlassender Aktivität und sinkendem Blutdruck. Geimpfte Tiere dagegen blieben auch nach einer Nikotin-Gabe unverändert aktiv und zeigten keine Veränderungen des Blutkreislaufs.
Als Nächstes sind Versuche mit Ratten und Affen geplant. Wenn sich das Verfahren dann auch für den Menschen als wirksam und sicher erweist, könnte sich die Impfung nicht nur zur Behandlung der Nikotinabhängigkeit eignen. Zumindest theoretisch, so Crystal, könnten Eltern auch ihre Kinder impfen lassen, damit sie gar nicht erst mit dem Rauchen anfangen. Um Nutzen und Risiken dieser Form der Gentherapie abschließend beurteilen zu können, seien noch jahrelange Studien nötig. Der Bedarf einer effektiveren Methode der Raucher-Entwöhnung ist unbestritten. Nach Angaben der Autoren werden 70 bis 80 Prozent der Betroffenen, die versuchen von ihrer Sucht loszukommen, innerhalb von sechs Monaten wieder rückfällig.