Gefühlt sind 100 Cent oft mehr als 1 Euro

Auch Menschen, die eigentlich gut rechnen können, lassen sich in manchen Situationen täuschen - und dann sind 100 Cent mehr als ein 1 Euro
Wenn man sich diesen Geldhaufen so ansieht, erscheint es fast logisch, dass die Centmünzen zusammen mehr sind als der 1 Euro daneben.
Wenn man sich diesen Geldhaufen so ansieht, erscheint es fast logisch, dass die Centmünzen zusammen mehr sind als der 1 Euro daneben.
© Doris Marszk
Columbus (USA) - Es gehört zum absoluten Basiswissen, dass es standardisierte Einheiten gibt, die wiederum eine feste Zahl von Untereinheiten haben: 1 Meter sind 100 Zentimeter, 1 Kilo sind 1000 Gramm, 1 Euro sind 100 Cent und so weiter... Und wir alle sind sicher, dies etwa seit unserem siebten oder achten Lebensjahr tief verinnerlicht zu haben. Tatsächlich aber, so zeigen jetzt amerikanische Forscher, gibt es immer wieder Situationen, in denen wir auf den "Mehr ist mehr"-Glaubenssatz hereinfallen. Und dann sind wir, wie die Forscher in der Fachzeitschrift "Psychological Science" zeigen, beispielsweise großzügiger als wir es sein würden, wenn wir die Entsprechung von 1 Euro und 100 Cent wirklich verinnerlicht hätten.

"In manchen Fällen ist Geld einfach eine Punktzahl - die höhere Zahl gewinnt, ungeachtet ihres tatsächlichen Wertes", sagt John Opfer von der Ohio State University. Zusammen mit seiner Mitarbeiterin Ellen Furlong setzte er Versuchspersonen dem so genannten Gefangenen-Dilemma aus. Anders als beim ursprünglichen Gefangenen-Dilemma, wie es aus der Spieltheorie bekannt ist, ging es hier nicht um die Höhe von Haftstrafen, sondern um die Summen von 1 Dollar und 100 Cent.

Das Gefangenen-Dilemma ist im vorliegenden Fall eigentlich ein Zocker-Dilemma: Zwei Personen wird unabhängig voneinander folgender Handel angeboten, worüber auch beide informiert sind: Wenn beide kooperieren, bekommen sie beide 5 Dollar. Entschließt sich einer allein, nicht zu kooperieren, bekommt er 5 Dollar und sein Partner nichts. Weigern sich beide zu kooperieren, bekommen beide nur 1 Dollar. Kooperieren ist also am einträglichsten. Aber da beide Personen voneinander getrennt sind, müssen sie sich nun, ohne sich miteinander absprechen zu können, für eine Option entscheiden. Dabei müssen sie die mögliche Reaktion des anderen einkalkulieren. Sie müssen sich also beispielsweise Fragen stellen wie: "Ich würde wohl kooperieren, aber kann ich mich darauf verlassen, dass mein Kumpel auch kooperiert?"

Dieses Gefangenen-Dilemma spielten die Versuchspersonen in zwei Varianten: In der einen Variante ging es um Dollar im einstelligen Bereich, in der anderen wurde mit Cent im dreistelligen Bereich gerechnet. Faktisch waren aber die Beträge, um die es ging, immer die gleichen. Frühere Studien zum Gefangenen-Dilemma hatten gezeigt, dass die Versuchspersonen umso eher bereit waren zu kooperieren, je höher die Haftstrafen beziehungsweise die Summen waren, um die es ging.

Es zeigte sich, dass in diesem Fall die Teilnehmer der Versuchsgruppe, für die es beispielsweise um 500 Cent ging, sich deutlich kooperativer zeigten als jene, für die es um 5 Dollar ging. 500 Cent - so schien ihr Gefühl ihnen zu signalisieren - waren eine Summe, für die es sich zu kämpfen lohnte. Aber wegen lumpiger 5 Dollar brauchte man sich nicht anzustrengen.

Ohio State University
Quelle: "Cognitive Constraints on How Economic Rewards Affect Cooperation"
Ellen E. Furlong, John E. Opfer, Psychological Science, Januar 2009, S. 11-16,
DOI: 10.1111/j.1467-9280.2008.02244.x


 

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