Ganz dünnes Eis
Ryo Yanagisawa von der Universität Kobe setzte gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen ein Atomkraftmikroskop in einen Behälter, den sie auf etwa minus neun Grad Celsius abkühlten. Für ihre Untersuchungen tropften sie extrem reines Wasser auf einen flachen Träger aus Glimmer, einem Schichtsilikat. Mit kalten Schwaden, die aus flüssigem Stickstoff verdampften, kühlten sie die Wasserprobe bis unter den Gefrierpunkt ab. Dabei kristallisierte das Wasser zu hauchdünnen Eisschichten, die die Forschenden mit der Spitze des Atomkraftmikroskops abtasteten und so deren Struktur bis auf wenige Nanometer genau bestimmen konnten.
Ohne eine benachbarte Flüssigkeit bildeten sich Eisschichten, aus denen etwa 20 Nanometer kleine Säulen herausragten. Waren die gefrierenden Wasserschichten allerdings von einer Flüssigkeit, die erst bei viel tieferen Temperaturen erstarrte, änderte sich der Aufbau deutlich. An der Grenzfläche zu flüssigen Alkohohlen – Butanol, Hexanol, Oktanol – formten sich extrem glatte Wassereisschichten, die höchstens winzige Stufen von der Dicke eines einzigen Wassermoleküls aufwiesen. Dieses molekular dünne Eis zeigte sich sogar fester als bisher angenommen. Mit einem Elastizitätsmodul von gut 24 Gigapascal war es signifikant härter als es bisherige Schätzungen für extrem dünne Eisschichten vermuten ließen. Diese Schätzungen rangieren bei Elastizitätsmodulen von nur etwa neun Gigapascal. Bisher können die Forschenden diesen Unterschied noch nicht erklären, vermuten aber einen regelmäßigeren Aufbau der Eisschichten im Vergleich zu früheren Experimenten.
Dieses grundlegende Experiment zeigt erstmals den Aufbau von molekular dünnen Eisschichten an Grenzflächen zu Flüssigkeiten. Yanagisawa und sein Team planen nun weitere Messungen, um die Auflösung der Mikroskopbilder bis auf einzelne Moleküle zu steigern. Auch andere mikroskopische Verfahren über die Atomkraftmikroskopie hinaus wollen sie ins Auge fassen. Damit könnte das Verhalten gefrierenden Wassers an Grenzschichten zu Frostschutzmitteln wie beispielsweise den verwendeten Alkoholen auf molekularer Ebene besser verstanden werden.