GPS-Messung beim Gassigehen verrät soziale Stellung im Rudel
„Wir zeigen, dass es möglich ist, die soziale Rangfolge und Persönlichkeitsmerkmale jedes Hundes aus den GPS-Bewegungsdaten heraus zu bestimmen“, erläutert Máté Nagy von der Oxford University und von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. „Auf einzelnen Spaziergängen ist es schwierig, einen dauerhaften Führer zu identifizieren, aber über längere Zeiträume wird bald klar, dass manche Hunde von ihren Artgenossen mehr verfolgt werden als andere. Alles in allem wird die kollektive Bewegung des Rudels stark von dem zugrundeliegenden Sozialverbund beeinflusst.“ Die Biologen hatten mit kleinen und leichten, an Geschirren angebrachten GPS-Geräten die Fortbewegung von sechs Hunden beim Gassigehen beobachtet. Es handelte sich um fünf Hündinnen und einen Rüden. Alle Hunde, fünf Vizslas und eine Mischlingshündin, lebten im selben Haushalt. Die Daten von insgesamt 14 Spaziergängen von jeweils 30 bis 40 Minuten – ohne Leine – bezogen sie in ihre Berechnungen ein. Sie analysierten einige Charakteristika der Wege, darunter etwa Laufgeschwindigkeit oder die Entfernung zum Besitzer.
Außerdem befragten sie die Besitzer der Tiere nach dem Dominanzverhalten in Alltagssituationen. „Der Dominanz-Fragebogen verrät uns die Hackordnung von Hundegruppen, indem die Interaktionen zwischen Paaren quantifiziert werden“, erklärt Nagys Kollegin und Seniorautorin Enikö Kubinyi. „Zum Beispiel werden diejenigen Hunde als dominanter eingeschätzt, die zuerst und mehr bellen, wenn Fremde das Haus betreten, die zuerst fressen und Kämpfe gewinnen. Umgekehrt sind Hunde, die die Schnauze von anderen häufiger lecken, als weniger dominant, weil es sich dabei um ein unterwürfiges Verhalten handelt.“
Es stellte sich heraus, dass die Rollen von Führendem und Folgendem in jeweils einem bestimmten Paar durchaus einer gewissen Dynamik unterlagen, also wechselten. Ein einzelner Hund hatte in 50 bis 85 Prozent der Zeit die Rolle des Führenden inne. Über längere Zeitabschnitte betrachtet unterschieden sich die Führungstendenzen der einzelnen Rudelmitglieder aber doch deutlich voneinander. Das Netzwerk, das aus diesen lockeren Beziehungen aus Führendem und Folgendem hervorgeht, ist hierarchisch aufgebaut, schreiben Kubinyi und ihre Kollegen. Und die Stellung eines Hundes in diesem Netzwerk korreliert mit den Persönlichkeitsmerkmalen, die sich anhand des Dominanzfragebogens abzeichneten. So waren Hunde, die regelmäßig Führungspositionen beim Gassigehen innehatten, tendenziell leichter trainier- und kontrollierbar sowie älter und aggressiver als diejenigen, die eher folgten. Außerdem zeigten sie auch im Alltag mehr Anzeichen von Dominanz, wie die Fragebögen ergaben.
Die Biologen zeigen mit ihrer Studie, dass es prinzipiell machbar ist, anhand der Analyse von Fortbewegungsmustern auf das Sozialverhalten und die Persönlichkeit von Hunden zu schließen. Diese Technik könnte sich etwa dazu eignen, Rettungshunde besser einzuschätzen und zu Teams zusammenzustellen, die besonders effektiv zusammenarbeiten.