Forscher lüften Geheimnis des Schokoladen-Geschmacks

Analyse der chemischen Reaktionen im Mund liefert Grundlagen für neue Aromen
Denver (USA)/München - Keine einzelne Substanz, sondern bis zu 600 Komponenten in der Kakaobohne bestimmen das Aroma von Schokolade. Dies ist eines der Ergebnisse einer Münchener Forschergruppe, das gerade auf der 242. Nationalen Konferenz der Amerikanischen Chemischen Gesellschaft (ACS) in Denver vorgestellt wurde. Die Forschungen könnten zu einer ganz neuen Generation von Designer-Schokoladen mit besonderen Aromen führen.

"Um die Geschmacks-Entstehung zu verstehen, müssen wir mit dem Aroma der Substanzen im Rohprodukt, der Kakaobohnen, beginnen. Danach ist es notwendig, alle Aufarbeitungsschritte bis zu dem Zeitpunkt zu verfolgen, an dem der Konsument die Schokolade isst", betont Peter Schieberle. Der Lebensmittelchemiker an der TU München hat auf der diesjährigen Tagung die ACS-Auszeichnung für neue Anwendungen im Bereich von Nahrungsmitteln erhalten. Schieberle weiß genau, wie man Schokolade genießen sollte: "Wenn sie die Schokolade in den Mund stecken, geschieht eine chemische Reaktion. Manche Menschen beißen nur die Schokolade ab, essen sehr schnell und lutschen sie nicht. Wenn sie das tun, hat die Reaktion nicht genügend Zeit und der Geschmack kann sich nicht voll entfalten."

Das Verfahren der Kakao-Bereitung bis hin zur Schokolade hatte sich über viele Jahre durch Versuch und Irrtum weiterentwickelt. Erst Forscher wie Schieberle untersuchten die Prozesse auf wissenschaftlicher Basis. Mit Hilfe moderner Analyseverfahren fanden sie heraus, dass sich das Aroma von Kakaobohnen aus einer ganzen Palette von Gerüchen und Geschmacksrichtungen zusammensetzt. Schieberle nennt diese Art von groß angelegten Aroma-Studien "Sensomics". Dabei komme es darauf an, ein Profil der chemischen Schlüsselsubstanzen zu erstellen, die bestimmten Nahrungsmittel ihren charakteristischen Geruch und Geschmack geben. "Um ein gutes Kakao-Aroma zu erzeugen, braucht man erstaunlicherweise nur 25 der 600 Komponenten in den Bohnen."

Schokolade wird aus Kakaobohnen gemacht, dem Samen des Kakaobaums. Rohe Bohnen haben einen intensiven, bitteren Geschmack und müssen daher zuerst verarbeitet werden, um das charakteristische Aroma zu entwickeln. Der Prozess startet mit einer Fermentation, bei der die feuchten Bohnen einige Tage in Körben gelagert werden, die mit Bananenblättern bedeckt sind. Hefen und Bakterien wachsen auf den Bohnen und verändern deren Natur. Im nächsten Teilschritt werden die Bohnen dann in der Sonne getrocknet und anschließend geröstet. Pro Jahr werden weltweit rund drei Millionen Tonnen Kakao produziert.

Schieberle und seine Kollegen fanden heraus, dass sich das Schokoladen-Aroma während des ganzen Prozesses entwickelt: Geruchs- und geschmackslose Vorläufersubstanzen entstehen während der Fermentation. Diese reagieren dann während des Röstens und entwickeln die Aroma-Komponenten. Der charakteristische Geschmack ergibt sich also aus einer Kombination von biochemischen Prozessen während der Fermentation und komplexen, wärmegesteuerten Reaktionen während des Röstens der Bohnen. Ganz am Ende kommt es dann darauf an, wie wir Menschen die Schokolade schmecken. Daran sind nicht nur Geschmacksknospen im Mund beteiligt, sondern auch Geruchs-Empfänger in der Nase spielen eine wichtige Rolle.

Parallel zu dem Ergebnissen aus Amerika wurden gerade auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologien in Paris neue Erkenntnisse zu Schokolade und Gesundheit vorgestellt. Zusammen mit einer Veröffentlichung im British Medical Journal weisen Wissenschaftler darauf hin, dass der Genuss von Schokolade das Risiko von Herz-Kreislauf-Krankheiten vermindern könnte. Schon andere Studien hatten sich mit den anti-oxidativen und anti-entzündlichen Eigenschaften von Schokolade beschäftigt. Allerdings wiesen die Autoren in Paris selbst darauf hin, dass die Ergebnisse weiter mit Vorsicht analysiert werden müssten. Nicht zuletzt deshalb, weil Schokolade viele Kalorien hat: Isst Jemand zuviel Schokolade, kann das schnell zu Gewichtszunahme führen – und damit wieder das Risiko für Diabetes oder Herzkrankheiten erhöhen.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: 242. National Meeting of the American Chemical Society (ACS) in Denver
und:
"Chocolate consumption and cardiometabolic disorders: Systematic review and meta-analysis", Buitrago-Lopez et al.; BMJ 2011; doi:10.1136/bmj.d4488


 

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