Fluoreszenzfärbung schützt Nerven vor dem Skalpell
"Wenn Chirurgen Tumoren entfernen, müssen sie wissen, wo die Nerven wirklich verlaufen und nicht nur, wo sie normalerweise bei den meisten Patienten sein sollten", sagt Roger Tsien von der University of California in San Diego. Zusammen mit Quyen Nguyen und Kollegen entwickelte er eine Methode, um leicht zu übersehene periphere, das heißt außerhalb von Gehirn und Rückenmark verlaufende Nerven durch eine unschädliche Färbung deutlicher erkennbar zu machen. Die Forscher testeten eine große Palette chemisch hergestellter Peptide - kurze Molekülketten aus Aminosäuren - auf ihre Fähigkeit, sich an einen Proteinbestandteil der Nervenhülle oder an ganze Stücke freipräparierter Nerven von Mäusen anzulagern. Ein solches aus zwölf Aminosäuren synthetisiertes Peptid koppelten sie an Fluorescein und injizierten es in Mäuse. Nach zwei Stunden ließen sich auf diese Weise periphere Nerven durch eine Fluoreszenzstrahlung erkennen, die bis zu zehnfach intensiver war als die des umgebenden Gewebes. Die Markierung blieb sechs bis acht Stunden lang erhalten und verursachte keine erkennbaren Schäden der Nervenfunktion oder des Verhaltens der Tiere.
"Natürlich müssen wir das Peptid noch an Patienten testen, aber wir konnten bereits zeigen, dass sich damit auch Nerven in menschlichen Gewebeproben markieren lassen", sagt Nguyen. Die Färbung war auch bei verletzten Nerven noch möglich, solange sie nicht von der Blutversorgung abgeschnitten waren. Daher könnte die Methode ebenfalls nützlich sein, um Nervenschäden zu behandeln. Bisher ließen sich motorische Nerven während der Operation durch Elektrostimulation identifizieren. Dagegen waren sensorische Nerven auf diese Weise nicht zu erkennen. Solche Nerven können beispielsweise bei einer Prostatakrebsoperation geschädigt werden - mit der Folge von Inkontinenz und Erektionsstörungen. Dieses Risiko würde sinken, wenn eine Fluoreszenzfärbung der Nerven möglich wäre. Zunächst sollen weitere Tierversuche die Färbemethode optimieren. Dann müssen klinische Studien prüfen, ob das Verfahren auch beim Menschen einsetzbar ist.