Falsches Vertrauen: Warum ältere Menschen häufiger auf Betrüger hereinfallen

Mit dem Alter sinkt die Aktivität einer Hirnregion, die Signale der Vertrauenswürdigkeit im Gesicht des anderen registriert
Lachendes Gesicht – vertrauenswürdig oder nicht?
Lachendes Gesicht – vertrauenswürdig oder nicht?
© Charles Le Brun (1619–1690) / Wikimedia, public domain
Los Angeles (USA) - Das Gesicht liefert Hinweise darauf, ob wir einem Menschen trauen können oder nicht. Aber trotz ihrer größeren Lebenserfahrung reagieren ältere Menschen nur noch schwach auf diese Botschaft. Sie bewerten oft auch solche Gesichter als vertrauenswürdig, die Jüngere misstrauisch werden lassen, berichten amerikanische Forscher. Im Einklang dazu stehen die Ergebnisse von Messungen der Gehirnaktivität: Wenn die Probanden Fotos von Gesichtern beurteilen sollten, war die Hirnregion, die Bauchgefühl und Risikoeinschätzung steuert, bei den Älteren weniger aktiv. Das könnte falsch positive Bewertungen erklären und mit ein Grund dafür sein, dass alte Menschen häufiger Opfer von Betrügern werden, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“.

„Ältere Menschen scheinen besonders anfällig für betrügerische, persönliche Kundenwerbung zu sein. Und das könnte mit einer verringerten Sensibilität für Signale zusammenhängen, die mit Vertrauen zu tun haben“, sagt Shelley Taylor von der University of California in Los Angeles. In zwei Studien untersuchte ihr Forscherteam, wie sich junge und alte Probanden darin unterscheiden, die Vertrauenswürdigkeit eines Menschen beim Betrachten seines Gesichts einzuschätzen. An der ersten Studie beteiligten sich 119 Männer und Frauen im Alter zwischen 55 und 84 Jahren, sowie 24 Menschen, die im Schnitt 23 Jahre alt waren. Jede Testperson beurteilte Gesichter von 30 Fotos als vertrauenswürdig, neutral oder nicht vertrauenswürdig. Dabei erkannten die Jüngeren Gesichtszüge, die Unehrlichkeit signalisierten, häufiger als die Älteren. Beim Urteil über die anderen Gesichter gab es dagegen keine altersabhängigen Unterschiede.

In der zweiten Studie mit 44 Teilnehmern erfolgten Hirn-Scans mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), während die Probanden die Fotos betrachteten. Diese Technik macht veränderte Durchblutung und verstärkte Stoffwechselaktivitäten im Gewebe sichtbar. Zwischen beiden Altersgruppen ergaben sich deutliche Unterschiede im vorderen Inselcortex – einem Teil der Großhirnrinde, der für Empathie und Bauchgefühl verantwortlich ist. Die nicht vertrauenswürdigen Gesichter regten die Nervenzellen dort bei den alten Menschen viel weniger an als bei den jungen. Die unterschiedliche Beurteilung ist demnach auf eine unterschiedliche Signalverarbeitung im Gehirn zurückzuführen.

Das typische Opfer eines Finanzbetrugs sei ein 55-jähriger Mann, der Erfahrungen in Geldgeschäften hat, sagt Taylor. Etwa in diesem Alter würde die Fähigkeit nachlassen, die Vertrauenswürdigkeit seines Gegenübers richtig zu beurteilen. Und wie sieht nun so ein nicht vertrauenswürdiges Gesicht aus? „Das Lächeln ist falsch und der Augenkontakt fehlt“, sagt Taylor. Leider sei es nicht möglich, die in den Studien eingesetzten Fotos zu veröffentlichen, da sie sonst für weitere Tests nicht mehr verwendet werden könnten.

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