Explodierende Lithiumionen-Akkus: Forscher filmen Kollaps mit Röntgenstrahlung

Bisher einzigartige Analyse kann zu sichereren Stromspeichern für Autos und Flugzeuge führen
Explodierender Lithiumionen-Akku: Falschfarben-Wärmebild zeigt den Ausstoß von geschmolzenem Material
Explodierender Lithiumionen-Akku: Falschfarben-Wärmebild zeigt den Ausstoß von geschmolzenem Material
© Shearing et al., Nature Communications
London (Großbritannien)/Grenoble (Frankreich) - Vor gut zwei Jahren fingen die Lithiumionen-Akkus an Bord von zwei Dreamliner-Jets Feuer. Daraufhin stoppte der Hersteller Boeing direkt die Auslieferung weiterer Flugzeuge. Wie gefährlich die hoch effizienten Stromspeicher sein können, untersuchte nun ein internationales Forscherteam mittels Röntgenstrahlung. Sie filmten das Innere der Akkus während eines durch Hitze verursachten Kollapses. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse, die die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichen, sollen künftig der Entwicklung sicherer Lithiumionen-Akkus dienen.

„Wir kombinierten hochenergetische Synchrotron-Röntgenstrahlung mit Wärmebildern, um die Veränderungen der inneren Struktur der Akkus zu analysieren“, sagt Donal Finegan vom University College London. So konnte er mit seinen Kollegen untersuchen, wie handelsübliche Lithiumionen-Akkus auf äußere Hitze reagierten. Mit schnell aufeinanderfolgenden Röntgenpulsen am ESRF-Synchrotron-Labor in Grenoble ließen sich die Prozesse im Innern der Akkus mit 1250 Bildern pro Sekunde verfolgen. Die Daten dieser speziellen Computertomografie koppelten die Wissenschaftler mit den Messdaten einer Wärmekamera. So erhielten sie dreidimensionale Bilder, auf denen sich die Schwachpunkte der Stromspeicher offenbarten.

Im heißen Luftstrom eines Heizlüfters stieg die Temperatur an der Akkuhülle binnen weniger Sekunden stark an. Schon ab 100 Grad Celsius bildeten sich Gase zwischen den geschichteten Elektroden. Nach drei bis vier Minuten und bei etwa 230 Grad kollabierten der Akku und es setzte im Innern des Stromspeichers eine fatale Reaktion ein – das so genannte thermal runaway. Polymer-Trennschichten im Akku schmolzen und es kam zu einem Kurzschluss. Ab etwa 220 Grad zersetzte sich das Elektrodenmaterial Nickelmangankobaltoxid. Weitere Bestandteile aus Aluminium und Graphit unterstützten eine stark exotherme und unkontrollierte Reaktion, bei der weitere heiße Gase entstanden. Die Temperaturen stiegen auf über 1000 Grad an, so dass die komplette innere Struktur zerstört wurde.

Bei einem der zwei untersuchten Akku-Typen wurde die Hülle infolge des Überdrucks relativ schnell zerstört und die Abdeckung abgesprengt. Dadurch konnten heiße Gase und Flüssigkeiten entweichen, bevor es zu einem Hitzestau im Akku kam. Dieses Verhalten hatte den Vorteil, dass sich das Akku-Innere gar nicht erst auf über 1000 Grad aufheizte. Dies könnte das Kollapsrisiko für benachbarte Akkus, sei es in einem Auto oder in einem Flugzeug, senken. Auch ein zusätzliches Stützgerüst zwischen den Elektroden wirkte sich positiv aus, um die leicht brennbaren Komponenten voneinander zu trennen und die Folgen eines Akku-Kollapses zu reduzieren.

Auf der Basis dieser bisher einzigartigen Analyse können Akku-Hersteller künftig sicherere Stromspeicher-Systeme entwickeln. So halten es Finegan und Kollegen für sinnvoll, zwischen mehreren Akkus hitzeresistente Schutzschichten zu setzen, damit es nicht zu einer Kettenreaktion komme. Auch die Anordnung der Elektroden im Akku ließe sich optimieren, um die exothermen Reaktionen nach einem Kurzschluss zu begrenzen. „Aber insgesamt“, sagt der Leiter der Studie, Paul R. Shearing, „sind die Zerstörungen, die wir beobachtet haben, unter normalen Bedingungen sehr unwahrscheinlich“. Boeing jedenfalls packte nach den Zwischenfällen die Stromspeicher in eine neue, verstärkte Hülle und ergänzte einen zusätzlichen Schutz gegen Kurzschlüsse.

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