Evolution des Menschen: Veränderte Gene schützen vor frühzeitiger Demenz

Eine verlängerte Lebensdauer der frühen Menschen konnte sich nur deshalb als vorteilhaftes Merkmal entwickeln, weil damit gleichzeitig das Demenzrisiko im Alter sank
Großmütter verbesserten die biologische Fitness der frühen Menschen, indem sie die Zahl und die Überlebenschancen ihrer Enkel erhöhten.
Großmütter verbesserten die biologische Fitness der frühen Menschen, indem sie die Zahl und die Überlebenschancen ihrer Enkel erhöhten.
© USDA
La Jolla (USA) - Während der Evolution des Menschen haben sich einige Gene so verändert, dass sie vor einer Altersdemenz schützen. Im Erbgut von Schimpansen und Neandertalern gibt es solche im Alter vorteilhaften Genvarianten dagegen nicht, berichten amerikanische Forscher. Diese natürliche Selektion habe es den Menschen erlaubt, ein höheres Alter als andere Primaten zu erreichen, ohne schon früh an Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz zu erkranken. Insbesondere die dadurch mögliche Mithilfe alter Frauen bei der Betreuung ihrer Enkel könnte den Fortpflanzungserfolg der frühen Menschen deutlich verbessert haben. Diese Art des Selektionsdrucks war offenbar nur bei Homo sapiens, nicht aber bei anderen Primaten wirksam, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)”.

„Wenn ältere Menschen dement werden, verliert die Gemeinschaft nicht nur wertvolle Quellen von Wissen, Weisheit und Kulturtechniken. Schon ein leichtes Nachlassen kognitiver Fähigkeiten kann bei Menschen in einflussreichen Positionen zu falschen Entscheidungen führen, die allen schaden“, sagt Pascal Gagneux von der University of California in San Diego, der zusammen mit Ajit Varki die Arbeiten leitete. Wie die meisten Wirbeltiere leben die Menschenaffen etwa so lange, wie sie noch Nachwuchs zeugen können. Nur beim Menschen hat sich ein längeres Leben als vorteilhaft erwiesen, weil die Alten die Überlebenschancen des Nachwuchses ihrer Gruppe verbesserten. Doch dieser Vorteil würde normalerweise dadurch verringert, dass bereits ab einem mittleren Alter verstärkt neurodegenerative Erkrankungen auftreten. Daher könnten sich Veränderungen von Genen durchgesetzt haben, die solche Hirnkrankheiten verhindern.

Konkrete Hinweise darauf fanden die Forscher zunächst bei einem Gen, das die Bauanleitung für das Protein CD33 trägt. Dieses Protein sitzt auf der Oberfläche von Immunzellen – auch von Mikrogliazellen des Gehirns. Es trägt dazu bei, Entzündungsreaktionen zu dämpfen. Frühere Untersuchungen hatten ergeben, dass eine bestimmte Variante des CD33-Gens die Ablagerung von Beta-Amyloid-Peptiden im Gehirn verhindert. Solche Ablagerungen sind ein typisches Merkmal der Alzheimer-Demenz. Die Forscher fanden heraus, dass beim Menschen viermal größere Mengen der schützenden CD33-Variante gebildet werden als beim Schimpansen. Ähnliches ergab sich auch für weitere Gene, die das Demenzrisiko senken. So haben sich im menschlichen Erbgut neben dem „Alzheimer-Gen” APOE4 die Varianten APOE2 und APOE3 verbreitet, die einer Demenzerkrankung entgegenwirken. Die neuen Ergebnisse würden zwar keinen direkten Beweis dafür liefern, dass die schützenden Genvarianten durch diese Form der Selektion entstanden sind, sagt Gagneux. Ein möglicher Zusammenhang mit dem Vorteil einer längeren Lebensdauer sei aber naheliegend.

Ganz allgemein sorgt die natürliche Selektion dafür, dass sich die Zahl der überlebenden Nachkommen erhöht. Eventuell schädliche Folgen für das Überleben im Alter spielen dabei keine Rolle. Geistig fitte Omas und Opas haben sich aber beim Menschen offenbar als so vorteilhaft für die Überlebenschancen der Nachkommen erwiesen, dass in diesem speziellen Fall die Evolution zu einer verlängerten Lebensdauer führte. In heutigen Völkern von Jägern und Sammlern haben nach Angaben der Autoren etwa ein Drittel aller Frauen die Wechseljahre bereits überschritten. Bei Schimpansen ist der Anteil alter Weibchen viel geringer, da die weiblichen Tiere meist sterben, kurz nachdem sie unfruchtbar geworden sind. Im Erbgut des Neandertalers liegt die beim Homo sapiens veränderte Version des CD33-Gens noch nicht vor. Dieser Evolutionsprozess begann demnach erst, nachdem die beiden Menschenarten begonnen hatten, sich auf getrennten Wegen weiterzuentwickeln.

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