Evolution der Darmflora: Verlorene Vielfalt

Im Vergleich zu Schimpansen hat sich während der Entwicklung des Menschen das Artenspektrum der Darmkeime stark verkleinert
Schimpansen verfügen über eine größere Vielfalt an Darmbakterien als Menschen.
Schimpansen verfügen über eine größere Vielfalt an Darmbakterien als Menschen.
© Shutterstock, Bild 38702461
Austin (USA) - Die Darmflora des Menschen unterscheidet sich deutlich von der seiner nächsten Verwandten, den Schimpansen. Den Verlauf dieser Veränderung während der Evolution haben amerikanische Biologen jetzt rekonstruiert. Sie verglichen das gesamte Artenspektrum der Darmkeime, das sogenannte Mikrobiom, von großen Menschenaffen mit dem von Menschen unterschiedlicher Kulturen. Die Ergebnisse erlaubten Rückschlüsse auf die Darmflora gemeinsamer Vorfahren von Affen und Menschen. Demnach begann die Abnahme der Vielfalt an menschlichen Darmkeimen schon mit der Aufspaltung der Entwicklungslinien von Mensch und Schimpanse. Dieser Trend setzte sich dann während der kulturellen Entwicklung bis zur heutigen Industriegesellschaft noch weiter fort, berichten die Forscher im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)”. Inwieweit die verringerte Artenzahlen des Mikrobioms mit erhöhten Risiken für Darmerkrankungen, Fettleibigkeit und Autoimmunkrankheiten verbunden sind, müssen weitere Studien klären.

„Die Abnahme der ursprünglichen Diversität des menschlichen Mikrobioms war erkennbar bei Bewohnern des Amazonas-Regenwalds sowie bei Jägern und Sammlern im afrikanischen Malawi – aber besonders stark ausgeprägt war es bei US-Amerikanern“, schreiben Howard Ochman von der University of Texas in Austin und seine Kollegen. Für ihre Untersuchungen sammelten die Forscher 416 Kotproben wild lebender Gorillas, Gemeiner Schimpansen und Zwergschimpansen (Bonobos). Zum Vergleich dienten 638 Stuhlproben von Menschen aus Afrika, Europa, Nord- und Südamerika. Automatisierte DNA-Analysen lieferten für jedes Individuum das gesamte Spektrum an Arten, Gattungen und Familien der vorhandenen Darmkeime.

Dabei ergab sich ein allen Affenarten und dem Menschen gemeinsamer Bestandteil an Mikroben, darunter Arten von Prevotella, Bacteroides und Ruminococcus. Diese Grundausstattung an Darmkeimen existierte also bereits vor der Auftrennung der verschiedenen Entwicklungswege von Menschen und Menschenaffen. Allerdings nahm dann im weiteren Verlauf der menschlichen Evolution die gesamte Artenvielfalt der Mikroben sehr schnell ab. Außerdem veränderten sich die prozentualen Anteile einzelner Bakteriengruppen. So ließ sich bei allen Menschen ein im Vergleich zu Schimpansen stark erhöhter Anteil an Clostridien, Streptokokken und Bacteroides-Arten nachweisen. Der mehr als fünffach höhere Prozentsatz an Bacteroides-Arten ist als Folge eines deutlich vermehrten Fleischkonsums zu erklären, schreiben die Forscher. Dagegen waren Bakterien, die komplexe pflanzliche Inhaltsstoffe abbauen können, bei allen Menschen in geringerer Zahl vertreten als bei den Affen.

Unterschiede der Mikrobiome heute lebender Menschen sind auf die jeweilige kulturelle Entwicklung und Lebensweise zurückzuführen. Beispielsweise zeigte das Spektrum der Darmkeime von Jägern und Sammlern aus Malawi größere Gemeinsamkeiten mit der Darmflora von Bonobos als mit der Darmflora US-amerikanischer Stadtbewohner. Deren Darmkeime wiesen die geringste Artenvielfalt und den höchsten Gehalt an Bacteroides-Arten auf. Einerseits stellt die Veränderung der Darmflora im Lauf der Evolution eine sinnvolle biologische Anpassung an die veränderte Ernährungsweise des Menschen dar. Doch andererseits könnte damit auch der Nachteil einer höheren Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen verbunden sein, die bei Menschenaffen nicht bekannt sind.

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