Erstmals Doppelsternsystem mit vorbeiziehenden Doppelplaneten entdeckt

Unerwartete Konstellation könnte Planeten in lebensfreundlicher Entfernung beherbergen
Künstlerische Darstellung des neu entdeckten Planetensystems Kepler-47.
Künstlerische Darstellung des neu entdeckten Planetensystems Kepler-47.
© NASA/JPL-Caltech/T. Pyle
San Diego (USA) - Sternensysteme mit zwei Sonnen sind für ihre turbulenten und chaotischen Verhältnisse bekannt. Umso überraschender ist die jüngste Entdeckung des Kepler-Weltraumteleskops, dass im Kepler-47 getauften System gleich zwei Planeten um die beiden Sterne im Zentrum kreisen und sie dabei periodisch verdunkeln. Wissenschaftler der Universität San Diego konnten aus der Abschwächung des Sternenlichts beim Vorbeizug der Planeten auch deren Größe und Umlaufzeiten bestimmen. Mit diesem Fund erhöhten sie nicht nur die Zahl der vor ihren Sonnen vorbeiziehenden Planeten in Doppelsternsystemen von vier auf sechs, sondern fanden auch den kleinsten je entdeckten Planeten in einem solchen System. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, berichten sie im Fachblatt „Science“, dass der äußere Planet sich wahrscheinlich in der sogenannten „bewohnbaren Zone“ befindet, in der flüssiges Wasser und damit Leben existieren kann.

„Am aufregendsten finde ich die Möglichkeit, einen Planeten in der bewohnbaren Zone eines Doppelsternsystems gefunden zu haben,“ so William Welsh, einer der Autoren der Studie. Die beiden Planeten sind größer als unsere Erde. Der innere ist etwa dreifach größer, der äußere gut viereinhalbfach und damit ähnlich groß wie der Gasplanet Uranus in unserem Sonnensystem. Dabei könnte der innere Planet ein Gesteinsplanet sein wie Mars oder Erde, der äußere ist wahrscheinlich ein Gasplanet. Auch wenn er in ähnlicher, lebensfreundlicher Distanz zu seinen beiden Sternen liegt wie die Erde zur Sonne, ist auf ihm selbst wohl kein Leben möglich, so Welsh: „Dieser Planet beherbergt wahrscheinlich kein Leben, aber wenn er große Monde hat, wären diese sehr interessante Welten.“

Die Voraussetzungen für ein lebensfreundliches Umfeld scheinen jedenfalls zu stimmen; und das, obwohl Doppelsternsysteme sonst für ihre unruhige Dynamik bekannt sind. Die Bildung und Entdeckung von Planeten in Doppelsternsystemen gilt als schwierig, da die Schwerkraft der rotierenden Sonnen für Unruhe in ihrer Umgebung sorgt. So wusste man bislang erst von vier Planeten, die vor ihren Doppelsternen vorbeiziehen, obwohl Doppelsterne mehr als die Hälfte aller Sterne in unserer Milchstraße ausmachen.

Die größere der beiden Sonnen ist unserer Sonne sehr ähnlich. Die kleinere besitzt nur etwa ein Drittel deren Größe und ein 60stel an Gesamtleuchtkraft. Die beiden Sterne umkreisen einander in siebeneinhalb Tagen bei einem Abstand, der knapp einem Zehntel der Distanz Sonne-Erde entspricht. Das Sternensystem liegt in etwa 5000 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Schwan.

Die Forscher konnten nun den Vorbeizug der Planeten vor den Sternen, die sogenannten Transits, messen und daraus die Umlaufzeiten und Radien ermitteln. Aus ihren Daten ergab sich auch eine grobe Abschätzung der Planetenmassen. Der kleinere der beiden Planeten braucht etwa 50 Tage für einen Umlauf und umkreist die Sterne auf knapp einem Drittel der Distanz Erde-Sonne; er wiegt etwa achtfach so viel wie die Erde. Der größere Planet bringt etwa die zwanzigfache Erdmasse auf die Waage. Mit 303 Tagen benötigt er fast ein Erdenjahr für einen Umlauf und ist auch ähnlich weit entfernt wie die Erde vom Zentralgestirn.

Die Berechung der Umlaufzeiten von Planeten ist bei Doppelsternsystemen aber deutlich schwieriger als bei Einzelsternsystemen. Denn die Sterne sind ja in ständiger Bewegung, wodurch die Zeiten und Dauern der Transits sich ständig verändern. Über eine Messdauer von knapp drei Jahren konnten die Wissenschaftler aber ausreichend Daten sammeln und insgesamt 18 Transits des kleinen und drei Transits des großen Planeten ausmachen. Die Verdunkelung der Sterne beim Vorbeizug der Planeten betrug jeweils nur rund ein zehntel Prozent, etwa soviel wie beim kürzlich erfolgten Transit der Venus vor unserer Sonne.

Von ihrem Fund erhoffen sich die Forscher auch neue Einsichten in die Entstehung von Doppelsternsystemen. Wahrscheinlich sind die beiden Planeten weiter außen entstanden und später nach innen gewandert. Das NASA-Weltraumteleskop Kepler jedenfalls hat mit diesem Fund seinem Ruf als hervorragender Planetenjäger wieder alle Ehre gemacht.

© Wissenschaft aktuell
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