Erster Supraleiter aus Kohlenstoff

Zweidimensionale Graphen-Schichten zeigen unkonventionelle Supraleitung – Eignung für Quantencomputer möglich
Grafik eines supraleitenden Sandwichs aus zwei Graphenschichten, die um einen „magischen Winkel“ von etwa 1,3 ° zueinander verdreht sind.
Grafik eines supraleitenden Sandwichs aus zwei Graphenschichten, die um einen „magischen Winkel“ von etwa 1,3 ° zueinander verdreht sind.
© Pablo Jarillo-Herrero et al., MIT
Cambridge (USA) - Schon bei relativ warmen minus 130 Grad Celsius leiten Hochtemperatursupraleiter elektrischen Strom ohne jeden Widerstand. Die genauen Ursachen für diese unkonventionelle Supraleitung von speziellen Kupferoxid-Keramiken sind bis heute ungeklärt. Nun entdeckten amerikanische und japanische Physiker erstmals, dass sogar hauchdünne Schichten aus Kohlenstoff, Graphen, supraleitende Eigenschaften aufweisen können. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, gäbe es viele Parallelen zu anderen unkonventionellen Supraleitern. Genaue Analysen könnten so zur Klärung dieses physikalischen Effekts beitragen.

„Unsere Arbeit bietet eine neue Plattform, um die Wechselwirkung zwischen Elektronen und Quanteneffekte wie die unkonventionelle Supraleitung zu untersuchen“, sagt Pablo Jarillo-Herrero vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. In Zusammenarbeit mit Kollegen der Harvard University nutzte er aber keine keramischen Metalloxide, sondern die Kohlenstoffvariante Graphen, in der sich alle Atome in einer hauchdünnen, zweidimensionalen Schicht anordnen. Dass sich Elektronen ausgesprochen leicht entlang von Graphenschichten bewegen können, war bereits bekannt. Doch durch die geschickte Stapelung zweier Graphenschichten konnten die Wissenschaftler erstmals auch Supraleitung bei einer Sprungtemperatur von minus 271,5 Grad Celsius (1,7 Kelvin) nachweisen.

Die Gruppe um Jarillo-Herrero fertigte für ihre Experimente winzige Flocken aus Graphen. Diese Flocken hafteten an einem mit Silikonkunststoff und einer zweidimensionalen Bornitrid-Lage beschichteten Glasträger. Damit konnten die Forscher zwei Graphenschichten übereinander legen. Das Besondere daran: Sie verdrehten die Graphenschichten mit ihrer streng symmetrischen wabenförmigen Anordnung der Kohlenstoffatome um einen „magischen Winkel“ von 1,3°. „Dieses kombinierte System zeigte unerwartete elektronische Eigenschaften“, sagt Jarillo-Herrero.

Zu diesen Eigenschaften zählte die überraschende Supraleitung, die sich beim starken Abkühlen des mit Elektroden aus Gold und Chrom kontaktierten Graphen-Sandwichs offenbarte. Zusätzlich zeigte sich, dass sich die elektronischen Eigenschaften dieses zweidimensionalen Materials mit elektrischen Feldern gezielt verändern ließ. Die Ursachen für dieses Verhalten liegen bisher noch im Dunkeln. Aber eine vermuten die Forscher, dass die Verdrehung der Graphenschichten mit dem magischen Winkel einen großen Einfluss auf die Beweglichkeit von Elektronen zwischen oder um diese Schichten herum hat.

Diese Versuche belegen abermals, dass zweidimensionale Materialien wie Graphen bisher unentdeckte physikalische Eigenschaften aufweisen, die sich deutlich von dreidimensionalen Festkörper aus gleichen Elementen unterscheiden. Jarillo-Herrero und seine Kollegen erwarten, dass mit ihrem relativ leicht nachzubauenden Graphensandwich die Ursachen für unkonventionelle Supraleitung genauer untersucht werden könnten. Zudem halten sie es für möglich, aus den verdrehten Graphenlagen einen neuen Hardware-Typ für zukünftige Quantencomputer entwickeln zu können.

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