Erdwärme-Kraftwerk in Sankt Gallen gescheitert

Durch das Tiefengestein fließt zu wenig Wasser – Gasförderung als lukratives Trostpflaster
Geothermie-Projekt in Sankt Gallen - Überschüssiges Erdgas wird abgefackelt
Geothermie-Projekt in Sankt Gallen - Überschüssiges Erdgas wird abgefackelt
© St. Galler Stadtwerke, T. Bloch
Sankt Gallen (Schweiz) - Eine über 4.000 Meter tiefe Bohrung sollte im schweizerischen Sankt Gallen tausende Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. Doch diese Hoffnung wurde nun brüsk enttäuscht. Das Projekt ist gescheitert und der Rat der Stadt hat sich gegen die Fortsetzung des bisher knapp 44 Millionen Schweizer Franken teuren Geothermie-Vorhabens entschieden. Nicht die Angst der Bürger vor Erdbeben führte zum Aus, sondern die Geologie: In den Tiefengesteinen fließt schlicht zu wenig Wasser.

„Die geringe Wasserförderrate sowie die Gasführung stellen die ursprünglich vorgesehene Erschliessung des Malmkalks und das geplante Betriebskonzept in Frage“, berichteten die vor Ort verantwortlichen Ingenieure nach einer Analyse der Messdaten bereits im Februar. Erst ab einer Förderrate von 50 Liter heißen Wassers pro Sekunde wäre eine technische Nutzung der Tiefenwärme sinnvoll gewesen. Tatsächlich wurden aber durchschnittlich nur sechs und ab und zu höchstens zwölf Liter gefördert. Zu wenig, um eine dauerhafte Energieversorgung mit Erdwärme zu gewährleisten. So wundert es nicht, dass die Verantwortlichen die Reißleine zogen.

Allerdings bleibt den Stadtwerken und den Bürgern von Sankt Gallen, die den Großteil der bisherigen Kosten tragen, ein kleiner Trost. Denn während der Tiefbohrung stießen die Ingenieure auch auf Erdgas, das während der Versuchsabläufe im vergangenen Jahr an der Oberfläche des Geländes abgefackelt wird. „Die Gasfackel brannte unregelmässig lang, aber mit einer bis zu zwölf Meter hohen Flamme“, sagt Thomas Bloch, Geologe und einer von vier Projektleitern des ambitionierten Erdwärme-Projekts. Heute ist das Bohrloch zwar verschlossen, doch will die Stadt die Förderung des Erdgases nun möglicherweise weiter verfolgen. Eine Einspeisung direkt in das lokale Gasnetz gilt als machbar. So könnte sich die teure Bohrung doch noch teilweise amortisieren. Denn nach aktueller Schätzung tritt derzeit genug Erdgas aus, um die ganze Stadt während eines durchschnittlichen Herbstmonats zu versorgen. Doch unklar bleibt, wie groß das angezapfte Reservoir tatsächlich ist.

Bevor sich Sankt Gallen zu diesem Schritt, der weitere sieben Millionen Franken Investitionen erfordert, entschließt, stehen noch einige Tests aus. Mitte des Jahres wird mit einer Entscheidung des Stadtrats auf möglichst breiter Datenbasis gerechnet. Falls die Abgeordneten gegen eine Gasförderung votieren, bleibt nur der Abbau des gesamten Pilotprojekts. Für die Geothermiebranche könnte sich Sankt Gallen als ein herber Rückschlag erweisen. So ist es wahrscheinlich, dass es in Zukunft noch schwieriger wird, Investoren für diese eigentlich sehr elegante und weitestgehend klimaneutrale Form der Energieversorgung zu gewinnen.

Hintergrundreportage zum St. Gallen-Projekt

© Wissenschaft aktuell
Quelle: Sankt Galler Stadtwerke, Eigenrecherche


 

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