Entdeckertypen: Manche Honigbienen sind wagemutiger als andere

Kundschafterinnen zeigen veränderte Hirnaktivitäten, für die es Parallelen beim Menschen gibt
Eine Honigbiene (Apis mellifera) auf dem Rückflug zu ihrem Stock
Eine Honigbiene (Apis mellifera) auf dem Rückflug zu ihrem Stock
© Alex Wild / alexanderwild.com
Champaign (USA) - In jedem Bienenstock gibt es einige wenige Sammlerinnen, die sich nicht auf die Routinearbeit beschränken: Sie suchen als Kundschafter neue Nahrungsplätze oder einen geeigneten Platz für ein neues Nest. Ihr abweichendes Verhalten ist an veränderten Aktivitäten von Genen ihrer Hirnzellen erkennbar, berichten amerikanische Biologen im Fachjournal „Science“. Diese Gene regulieren Signalwege, die auch bei besonders mutigen und neugierigen Individuen von Säugetieren verändert sind. Beim Menschen würde man ein solches Verhaltensmerkmal als Ausdruck seiner Persönlichkeit bezeichnen. Ansätze dazu finden sich offenbar schon bei Insekten.

„Wir versuchen zu verstehen, was die Grundlage dieses Entdeckerverhaltens bei Menschen und Tieren ist“, sagt Gene Robinson von der University of Illinois at Urbana-Champaign. Wie das Belohnungssystem des Gehirns auf bestimmte Erfahrungen reagiert, spielt dabei eine wichtige Rolle. Für ihre Experimente wählten die Forscher die Honigbiene Apis mellifera. Sie untersuchten zunächst, ob die wenigen Kundschafter-Bienen eines Stockes, die bei Bedarf nach einem Platz für ein neues Nest suchen, dieselben sind, die später auch neue Futterplätze erkunden. Nachdem die Nest-Kundschafter identifiziert und markiert worden waren, versetzten die Biologen deren Bienenstock in der Nacht in eine fremde Umgebung. Dann beobachteten sie, welche Bienen am nächsten Morgen Futterplätze aufspürten. Das Resultat: Die Nest-Kundschafter übernahmen mit 3,4-fach höherer Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu anderen Sammlerinnen auch diese Aufgabe. Wenn dieselben Tiere ein bestimmtes Verhalten auch in unterschiedlichem Zusammenhang zeigen, gilt das generell als Hinweis auf ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal, so die Forscher.

Zur Erklärung des ungewöhnlichen Verhaltens analysierten die Wissenschaftler die Genaktivitäten der Hirnzellen von Kundschaftern und Nicht-Kundschaftern. Dabei ergaben sich unerwartet große Unterschiede, obwohl es sich doch um Sammlerinnen desselben Stockes handelte. Einige der Unterschiede wirkten sich auf Signalwege in Nervenzellen aus, an denen die Botenstoffe Katecholamin, Glutamat und Gamma-Aminobuttersäure (GABA) beteiligt sind. Diese sind auch für das Entdecker-Verhalten und das Belohnungssystem bei Wirbeltieren von Bedeutung. Durch Behandlung mit dem Neurotransmitter Glutamat konnten die Forscher Kundschafter-Verhalten auslösen. Umgekehrt ließ sich durch spezielle Hemmstoffe dieses Verhalten abstellen. Die Ergebnisse zeigen, so Robinson, dass Insekten und Menschen bei der Evolution ihres Verhaltens denselben genetischen Werkzeugkasten genutzt haben. Die Entwicklung sei zwar unabhängig voneinander erfolgt, beruhte aber auf ähnlichen molekularen Mechanismen.

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Quelle: „Molecular Determinants of Scouting Behavior in Honey Bees”, Zhengzheng S. Liang et al.; Science, DOI: 10.1126/science.1213962


 

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