Eisschmelze bremst Erddrehung

Winziger, vom Klimawandel verursachter Effekt beeinflusst die exakte Messung eines 24-Stunden-Tages
Drehende Erde - Klimawandel bremst Rotation etwas ab.
Drehende Erde - Klimawandel bremst Rotation etwas ab.
© NASA / NOOA
La Jolla (USA) - Die globale Erderwärmung verursacht nicht nur steigende Meeresspiegel, die Verschiebung der Klimazonen oder eine Verstärkung von Wetterphänomenen. Auch die exakte Messung der Tageslänge wird vom Klimawandel beeinflusst. Zu diesem Schluss kommt der Geowissenschaftler Duncan Agnew von der University of California San Diego in La Jolla. In der Fachzeitschrift „Nature“ berichtet er, dass das jüngst beobachtete schnellere Abschmelzen der Eiskappen am Südpol auf Grönland die Rotation der Erde stärker abbremst als bisher angenommen.

Grundsätzlich dreht sich die Erde in etwa 24 Stunden, also 86.400 Sekunden, einmal um sich selbst. Diese Länge eines Tages basiert auf komplexen Wechselwirkungen der Anziehungskräfte von Sonne und Mond. Dazu kommen sowohl Reibungseffekte zwischen flüssigem Erdkern und festem Erdmantel als auch der Einfluss der Gezeiten in den Weltmeeren. Duncan Agnew erkannte nun auf der Basis von exakten Satellitenmessungen der vergangenen Jahre, dass sich die Drehgeschwindigkeit der Erde etwas mehr verlangsamte als in den Jahrzehnten davor. Die Ursache dafür sieht er in dem beschleunigten Abschmelzen der polaren Eiskappe. Denn das zusätzliche Wasser in den Weltmeeren verstärkt den bremsenden Effekt der Gezeiten.

So winzig dieser Effekt ist, hat er Auswirkungen auf die genaue Messung einer Tageslänge. Heute legen exakt tickende Atomuhren die koordinierte Weltzeit (UTC) mit einer Tageslänge von 86.400 Sekunden fest. Doch da die Erde tatsächlich minimal langsamer rotiert, dauert ein mittlerer Sonnentag Bruchteile einer Sekunde länger. Seit den 1950er Jahren wurden daher der „Atomzeit“ insgesamt 36 Mal jeweils eine Schaltsekunde zugefügt. Zuletzt war das Ende 2016 der Fall. So blieben Uhrzeit und tatsächlicher Sonnenstand immer synchronisiert.

Seit 2016 verringerte sich allerdings dieser Unterschied zwischen Atomzeit und Sonnenzeit. Ursache dafür war eine etwas schnellere Drehung der Erde. Aktuelle Prognosen gehen sogar davon aus, dass im Jahr 2026 keine zusätzliche Schaltsekunde auf die Atomzeit addiert, sondern erstmals eine Sekunde abgezogen werden müsste. Diesem Trend steht nun aber die Studie von Duncan Agnew entgegen. Sollten weitere Satellitenmessungen der Tageslänge den bremsenden Effekt der schmelzenden Polklappen bestätigen, müsste die Schaltsekunde erst drei Jahre später, also im Jahr 2029, von der Atomzeit abgezogen werden.

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