Einsiedlerkrebse rangeln auf dem Wohnungsmarkt

Um die eigene Schneckenschale gegen eine größere zu tauschen, muss ein anderer Krebs aus seiner Behausung vertrieben werden.
Landeinsiedlerkrebse unterschiedlicher Größe rangeln darum, ihr Schneckenhaus gegen ein größeres umzutauschen.
Landeinsiedlerkrebse unterschiedlicher Größe rangeln darum, ihr Schneckenhaus gegen ein größeres umzutauschen.
© Mark Laidre, UC Berkeley
Berkeley (USA) - Landeinsiedlerkrebse leben zwar allein – jeder in seiner Schneckenschale. Sie kommen aber gern in größeren Gruppen von Artgenossen zusammen. Denn das gibt ihnen Gelegenheit, ihr schützendes Gehäuse gegen ein größeres einzutauschen, wenn es zu eng geworden ist. Auf dem Wohnungsmarkt herrschen allerdings raue Sitten: Jeder Krebs versucht, in ein neues, geräumigeres Gehäuse einzuziehen. Wer sich aus seiner Behausung vertreiben lässt, ohne sofort eine neue zu finden, hat nur geringe Überlebenschancen, denn er ist seinen Feinden schutzlos ausgeliefert. Das berichtet ein amerikanischer Forscher über seine Beobachtungen und Experimente im Fachblatt „Current Biology“. Diese außergewöhnliche Form eines „asozialen“ Sozialverhaltens habe sich im Lauf der Evolution erst im Zuge der Anpassung an das Leben auf dem Land entwickelt, wo leere Schneckenschalen Mangelware sind.

„Im Wasser lebende Einsiedlerkrebse finden neue Schalen einfach, indem ihnen chemische Signale toter Schnecken den Weg weisen“, schreibt Mark Laidre von der University of California in Berkeley. Landeinsiedlerkrebse haben es dagegen schwerer. Sie nutzen anfangs kleine leere Schneckengehäuse, in die sie sich ganz zurückziehen können. Doch mit dem Älterwerden wird es eng. Daher vergrößern die Krebse zunächst den Innenraum der Schale. Wenn auch das nicht mehr ausreicht, ist ein Wohnungswechsel nötig. Wie das abläuft, beobachtete Laidre bei Einsiedlerkrebsen der Art Coenobita compressus am Strand von Costa Rica. Die größeren Krebse können in der Regel nur noch solche Schalen nutzen, die bereits von Vorbesitzern innen ausgebaut worden sind. Unveränderte Schneckenschalen boten keinen vollständigen Schutz ihres verletzlichen Körpers, wie der Biologe durch Experimente zeigte.

Der Umzug in ein neues Heim findet auf einer Tauschbörse statt. Sobald mindestens drei Krebse an einem Platz versammelt sind, ziehen sie in kurzer Zeit eine große Zahl weiterer Artgenossen an. Diese ordnen sich nach ihrer Schalengröße in Polonaise-Form an. Sobald es gelingt, einen Bewohner aus seiner Schale zu vertreiben, kommt es zu einer Art Kettenreaktion: Nach absteigender Größe versucht jeder seine Schale gegen eine größere einzutauschen. Der Verlierer bleibt mit dem kleinsten Gehäuse zurück, das ihm keinen vollständigen Schutz mehr bieten kann. Er wird ein Opfer räuberischer Säugetiere oder Ameisen oder stirbt an Austrocknung.

Bei den Landeinsiedlerkrebsen, so Laidre, hat der Übergang zum Leben am Strand dazu geführt, dass ein nicht-soziales Lebewesen eine – wenn auch seltsame – Form des Sozialverhaltens entwickelt hat. Soziale Tiere kommen in größeren Gruppen zusammen, um einen Partner zu finden oder um sich erfolgreicher verteidigen und Nahrung beschaffen zu können. Bei den Landeinsiedlerkrebsen dient die Gruppenbildung offenbar lediglich dem Zweck, eine schönere Behausung zu ergattern.

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