Einmalig im Tierreich: Darm der Raupen hilft beim Kriechen
"Das Verstehen dieses neuartigen Bewegungssystems kann helfen, Roboter mit weichem Körper zu entwickeln", erklärt Barry Trimmer, Biologieprofessor an der Tufts University, "und es könnte eine neue Untersuchung auslösen, welche Rolle weiche Gewebe in den biomechanischen Abläufen von Menschen und anderen Tieren spielen". Gemeinsam mit Kollegen der Virginia Polytechnic Institute and State University (Virginia Tech), der Brandeis University und des Argonne National Laboratory hatte Trimmers Team die Raupen des Tabakschwärmers (Manduca sexta) näher unter die Lupe genommen. Die rund sieben Zentimeter langen grünen Larven bewegen sich beim Kriechen wie andere Raupen in wellenartigen Bewegungen nach vorn - die Außenhülle des Körpers kann sich in sich stauchen und dehnen, während die Beine von einem Standpunkt zum nächsten gesetzt werden.
Unter synchronisierten Röntgenaufnahmen, kombiniert mit Lichtmikroskopie und Videobildern, zeigte sich überraschend eine unabhängige innere Bewegung im Raupenkörper. Die Forscher verglichen etwa die Bewegungen der Darmwand der kriechenden Raupen und ihrer so genannten Bauchbeine, stummelförmige Extremitäten in der Körpermitte, die beim Festhalten helfen. Dabei ist der Verdauungstrakt samt Magen eine weiche Röhre, von Muskeln umgeben, die quasi frei zwischen Kopf und Afterbereich aufgehängt und so von der Außenhaut entkoppelt ist. Dieser bewegte sich in den Aufnahmen beinah einen vollen Schritt vor den äußeren Körperstrukturen, allerdings im gleichen Takt wie Kopf und Hinterteil. Obendrein bewegten sich Punkte innerhalb des Vedauungstrakts mit unterschiedlichem Tempo. Das deutet darauf hin, so die Forscher, dass sich auch das Körperinnere beim Kriechen - wie das Äußere, aber unabhängig davon - dehnt und staucht."Die Raupen schienen sich mithilfe eines Zwei-Körper-Systems vorwärts zu schieben - dies könnte zur außerordentlichen Bewegungsfreiheit beitragen, die man in diesen Weichkörper-Krabblern sieht", erklärt Michael Simon, Hauptautor der Studie. Ursprünglich wollte er nur das Nervensystem der Tabakschwärmer-Larven untersuchen. Nun sei weitere Forschung nötig, um herauszufinden, ob das Bewegungsphänomen den Raupen einen Evolutionsvorteil verschaffte, ebenso wie das Schwingen der Arme beim menschlichen Laufen die Stabilität erhöht und den Energieverbrauch senkt. Dies könnte auch für den Roboterbau wertvolle Informationen liefern, so Simon: "Bisher hat man sich auf das äußere Design von Robotern konzentriert. Aber wir müssen auch betrachten, wie man möglichst optimal das Innere des Roboters und jederlei Traglast optimal arrangiert. Würde etwa die Bewegung verbessert, wenn man mehr Masse nach hinten packt, wie es diese Raupen zu tun scheinen?"