Eine Impfung gegen fast alles

Ein gemeinsamer Bestandteil der Zellhülle von Bakterien, Pilzen und Parasiten könnte als Impfstoff mit extrem breitem Wirkungsspektrum dienen
Boston (USA) - Eine Impfung löst Reaktionen des Immunsystems aus, die vor einer Infektion mit einem bestimmten Erreger schützen sollen. Dabei wirkt ein Impfstoff in der Regel nur gegen jeweils eine spezielle Infektionskrankheit, wie zum Beispiel Keuchhusten oder Diphtherie. Doch jetzt haben amerikanische Mediziner eine Möglichkeit entdeckt, mit nur einem Impfstoff eine Immunität gegen mehrere, ganz unterschiedliche Arten von Krankheitserregern zu bewirken. Sie konnten auf der Zelloberfläche von Bakterien, Pilzen und einzelligen Parasiten gemeinsame Molekülstrukturen in Form von Ketten aus Zuckermolekülen nachweisen. Antikörper, die an diese Oberflächenstrukturen ankoppeln, schützten Mäuse vor einer Infektion mit Pneumokokken, Candida-Hefen und Malariaerregern. Schon im nächsten Jahr soll ein entsprechender Impfstoff am Menschen getestet werden, schreiben die Forscher im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“.

„Bisher hat es auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten noch nie die Möglichkeit gegeben, einen Wirkstoff gegen so viele unterschiedliche Mikroben einzusetzen – darunter Erreger von Gonorrhö, Tuberkulose und Malaria“, sagt Gerald Pier vom Brigham and Women’s Hospital in Boston, der Leiter des Forscherteams. Es war schon seit Längerem bekannt, dass die Zellhüllen mehrerer Bakterienarten wie Staphylococcus aureus und E. coli einen gemeinsamen Bestandteil enthalten – lange Ketten aus dem Zucker N-Acetylglucosamin. Gegen eine chemisch veränderte Form dieses Polysaccharids (Poly-N-Acetylglucosamin, PNAG) erzeugten die Forscher nun Antikörper, die sehr effektiv an die Zuckerketten ankoppelten. Mit Hilfe dieser Antikörper konnten sie PNAG auch bei einer erstaunlich großen Zahl weiterer Krankheitserreger nachweisen.

Überraschenderweise fanden sie solche Molekülstrukturen nicht nur bei Bakterien, sondern sogar bei Pilzen wie Candida albicans und Protozoen wie Trichomonaden und Malariaparasiten. Bei einer Infektion lösen die Erreger zwar die Produktion von Antikörpern aus, die gegen PNAG gerichtet sind. Die Bindung dieser Antikörper an die Zellhülle ist jedoch nicht in der Lage, weitere Immunreaktionen in Gang zu setzen, die zur Zerstörung der Mikroben nötig sind. Die von den Forschern erzeugten Antikörper dagegen – darunter ein menschliches monoklonales Immunglobulin – töteten die Erreger auch ab, indem sie das Komplementsystem des Blutes aktivierten. Eine Injektion dieser Antikörper schützte Mäuse unter anderem vor Infektionen mit Scharlacherregern, Pneumokokken, Meningokokken, Listerien, Candida-Hefen und Malariaparasiten. Eine derartige passive Immuntherapie hat sich in einer klinischen Studie bereits als gut verträglich erwiesen; Wirksamkeitstests am Menschen stehen aber noch aus. Erste Versuche, durch eine Impfung mit einem PNAG-Impfstoff die Produktion schützender Antikörper bei Testpersonen auszulösen, sollen 2014 beginnen. Zuvor muss unter anderem sicher gestellt sein, dass dadurch die normalen Körperkeime in Mund und Darm nicht geschädigt werden.

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