Eierschale mit Selbstschutz
„Verschüttetes Wasser über einer Eiersammlung enthüllte, wie anders sich Wassertropfen auf den Schalen der Lummen-Eier verhielten“, berichtete Steven Portugal vom Royal Veterinary College der University of London und erzählte, wie ein Missgeschick sein Team auf die Idee brachte, diese Schalenstruktur näher zu untersuchen: „Die Wassertropfen blieben als Kugel auf den Eiern, typischerweise ein Zeichen für eine hydrophobe, wasserabweisende Oberfläche“. Gemeinsam mit Kollegen der University of Birmingham und der University of Adelaide verglich er diese Schalenstruktur daraufhin mit der von 217 anderen Vogelarten. Unter dem Elektronenmikroskop zeigte sich, dass die Kalkschale bei den Lummen (Uria sp.) tatsächlich eine einzigartige Nanostruktur besitzt. Die Oberfläche ist deutlich ausgeprägter als etwa bei Papageitauchern (Fratercula arctica), die in ähnlichen Regionen brüten, aber dazu Erdlöcher auf Klippen nutzen. Eine hierarchische Anordnung kegelförmiger Kalkspitzen sorgt für eine Oberfläche, an der Wasser und Kot physikalisch und chemisch keinen Halt finden.
Diese Nanostruktur hat gleich mehrere Effekte: Sie bildet mit auftreffenden Wassertropfen einen steileren Kontaktwinkel, so dass diese nicht zerfließen, sondern ihre Kugelform behalten müssen und abrollen. „Die konischen Ausstülpungen in der Eierschalen-Oberfläche der Lummen-Eier entsprechen den hierarchischen Nano-Anordnungen bei Lotusblättern, die der Selbstreinigung dienen“, schreiben Portugal und Kollegen. Zugleich ist die Schalenoberfläche rauer als andere, weshalb das Ei weniger leicht vom Fels rutschen kann. Und obendrein, so die Forscher, ist sie etwas poröser als üblich und kann, dank stärkerem Gasaustausch mit der Umwelt, besser den Salzgehalt der Meerwasserspritzer kompensieren.
Bislang waren die Eier der Lummen vor allem für ihre Form und Mustervielfalt bekannt. Die Meeresvögel von der Größe einer Ente leben in nördlichen Breiten rund um den Globus und kommen nur zur Brutzeit im Frühjahr an Land. Sie bilden dann große Kolonien an steilen Klippen und legen ihre Eier direkt auf schmale Felsvorsprünge. Maserungen und Fleckenmuster von weißgrau, grün oder blau bis zu rötlichbraun und schwarz kommen vor. Besonders bemerkenswert aber ist die bekannte Kegelform der Eier: Kommen diese ins Rollen, so beschreiben sie dabei den kleinstmöglichen Kreis um ihre Spitze. Das verhindert in vielen Fällen den direkten Sturz vom Felsvorsprung. Die Sturzgefahr ist bei den Lummen relativ oft gegeben, weil die Vogeleltern abwechselnd brüten und dafür rund einen Monat lang etwa jeden halben Tag den Platz tauschen.