Dünne Schichten aus Quasikristallen erstmals machbar

Neue Synthesemethode könnte zu vielfältigen Anwendungen der ungewöhnlichen Materialklasse führen
Die Aufnahme mit einem Rastertunnelmikroskop zeigt die Oberflächenstruktur der Quasikristallschicht. Die individuelle Oberflächenatome erscheinen hell und sind quadratisch und dreieckig angeordnet mit einem Abstand von weniger als einem Nanometer zueinander (Ausschnitt)
Die Aufnahme mit einem Rastertunnelmikroskop zeigt die Oberflächenstruktur der Quasikristallschicht. Die individuelle Oberflächenatome erscheinen hell und sind quadratisch und dreieckig angeordnet mit einem Abstand von weniger als einem Nanometer zueinander (Ausschnitt)
© W. Widdra, MLU Halle-Wittenberg
Halle - Sie sind symmetrisch, auf den ersten Blick ähnlich aufgebaut wie Kristalle und doch in ihrer kompletten Struktur sehr ungewöhnlich: Quasikristalle. Von dieser Materialklasse versprechen sich Wissenschaftler viele neue Werkstoffe mit bisher unerreichten Eigenschaften. Konnten bislang vor allem metallische Quasikristalle künstlich hergestellt werden, gelang nun deutschen Physikern die Synthese hauchdünner Quasikristalle aus dem Metalloxid Bariumtitanat. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, erwarten sie nun die Entwicklung vieler neuer oxidischer Quasikristalle, etwa für besondere Beschichtungen von Werkzeuge oder in der Medizin.

„Die neuen, sehr viel härteren oxidbasierten Quasikristallschichten könnten hier bio-inerte Antihaftbeschichtungen liefern oder Oberflächenvergütungen zur Reduzierung von Reibung und Abrieb“, sagt Wolf Widdra von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Zusammen mit seinen Kollegen ließ er auf einer Unterlage aus Platin hauchdünne Schichten aus Bariumtitanat wachsen. Aufgeheizt auf knapp 1000 Grad Celsius formten sich zweidimensionale Quasikristalle aus. Strukturanalysen und Beobachtungen mit einem Rastertunnelmikroskop belegten, dass diese neue Form von Bariumtitanat eine ungewöhnliche 12-zählige Symmetrie zeigte. Typisch für Quasikristalle war auch die hohe Symmetrie - allerdings setzte sich diese nicht periodisch über die gesamte Schicht fort, wie es für herkömmliche Kristalle üblich wäre.

Dieses Experiment belegt, dass je nach Wahl einer geeigneten Unterlage und ausgeklügelten Reaktionsbedingungen quasikristalline Schichten hergestellt werden können. Widdra rechnet damit, dass nun aus vielen weiteren Metalloxid-Verbindungen neue, quasikristalline Strukturen hergestellt werden könnten. Neben einer hohen Festigkeit könnten diese Werkstoffe auch bisher nicht vorhersehbare elektronische und magnetische Eigenschaften aufweisen. Für konkrete Anwendungen müssen allerdings noch Verfahren gefunden werden, um die bisher hauchdünnen, zweidimensionalen Schichten auch zu kompakten räumlichen Quasikristallen wachsen zu lassen.

Entdeckt wurden Quasikristalle erst 1982 und Daniel Shechtman erhielt dafür vor zwei Jahren den Chemie-Nobelpreis. Seitdem gelten metallische Quasikristalle als viel versprechende Kandidaten für neue Katalysatoren oder extrem feste Antihaft-Beschichtungen. Welche Anwendungen nun mit oxidischen Quasikristallen möglich werden könnten, lässt sich bisher nicht absehen. In der Nature sind Quasikristalle dagegen extrem selten. Nur eine einzige Quasikristall-Art wurde vor wenigen Jahren in den Karyak-Bergen auf der Kamschatka-Halbinsel in Ostsibirien gefunden. Das Mineral aus Aluminium, Kupfer und Eisen zeigte eine fünffache Symmetrie. Für natürliche Kristalle galt dieser ungewöhnliche Aufbau zuvor als unmöglich.

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg