Dünger aus Luft und Wasser
Vor gerade 100 Jahren gelang es den deutschen Wissenschaftlern Fritz Haber und Carl Bosch, den Stickstoff der Luft für die Synthese von Ammoniak zu nutzen. Ohne dieses Haber-Bosch-Verfahren wäre das rasante Bevölkerungswachstum von damals 1,7 auf heute 7,2 Milliarden Menschen nicht vorstellbar. „Geschätzt stammt jedes zweite Stickstoff-Atom in unserem Körper aus dem Haber-Bosch-Prozess“, verdeutlicht Stuart Licht von der Georg Washington University die immense Bedeutung der Ammoniak-Synthese. So ist er sich des hohen Anspruchs bei der Suche nach einem Alternativ-Prozess bewusst.
Zusammen mit seinen Kollegen gelang es Licht nach zahlreichen Versuchen, eine effiziente und zugleich klimafreundliche Ammoniak-Synthese zu entwickeln. Bezieht das herkömmliche Haber-Bosch-Verfahren den für die chemische Reaktion benötigten Wasserstoff aus Erdgas, genügte Licht schlichtes Wasser als Wasserstoff-Quelle. Dazu heizten sie eine Mischung aus den Salzen Natrium- und Kaliumhydroxid auf 200 Grad auf, so dass eine Schmelze entstand. In diese Salzschmelze verteilten sie winzige, etwa 40 Millionstel Millimeter kleine Nanopartikel aus Eisenoxid als Katalysator. Über zwei Elektroden setzten sie dieses Gemisch unter eine elektrische Spannung von gut zwei Volt.
Strömten nun Wasserdampf und Luft durch diese elektochemische Zelle, konnten sich die Wassermoleküle in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten. Katalytisch unterstützt verband sich der Wasserstoff mit dem Stickstoff der Luft und das begehrte Ammoniak entstand. Nach und nach verbesserten die Forscher die Versuchsparameter, so dass ihr Prozess eine Ammoniak-Ausbeute von etwa 30 Prozent erreichte. Alle früheren Ansätze für eine Ammoniak-Synthese über die Spaltung von Wasser stagnierten dagegen bei etwa einem Prozent.
Auch der Blick auf die Energiebilanz dieses Prozesses überzeugte Licht und Kollegen. Zwar benötigte ihr Verfahren viel Strom, doch parallel bildete sich ein Überschuss an Wasserstoffgas, das für eine spätere Nutzung gespeichert werden könnte. Um die Hydroxid-Salze auf 200 Grad aufzuheizen, schlagen die Forscher solarthermische Anlagen vor, in denen Sonnenlicht über Spiegel gebündelt wird. „Kombiniert mir unserem solarthermischen Elektrolyse-Weg ergäbe sich ein Niedrig-Energie-Prozess für die Ammoniak-Produktion“, sagt Licht.
Ob das auch außerhalb eines Labors gelingt, ist allerdings noch offen. So vielversprechend eine Ausbeute von etwa 30 Prozent klingt, müsste die Effizienz für eine industrielle Ammoniak-Synthese noch weiter gesteigert werden. Zudem wäre es nötig, das Verfahren Schritt für Schritt zu skalieren, also an großtechnische Anlagen für die Massenproduktion anzupassen. Werden diese Hürden überwunden, könnten der Energiebedarf und die Klimabelastung der Kunstdünger-Industrie drastisch gesenkt werden.