Diesel aus Zucker oder Gras

Hundert Jahre alter Fermentationsprozess liefert effizient die Rohmoleküle aus erneuerbaren Quellen, die ein Katalysator zu Diesel-ähnlichen Kohlenwasserstoffketten wandelt
In einer solchen Fermentationskammer im Berkeley-Labor setzen sich Aceton und Butanol in einer klaren Schicht über der bakteriellen Brühe ab.
In einer solchen Fermentationskammer im Berkeley-Labor setzen sich Aceton und Butanol in einer klaren Schicht über der bakteriellen Brühe ab.
© Robert Sanders
Berkeley (USA ) - Nur leicht verändert und ergänzt, kann ein Gärungsprozess aus der Zeit des ersten Weltkriegs heute einfach und effizient Treibstoff wie Diesel oder Kerosin liefern. Auch Rohmaterial für Kunststoffe wird so gewonnen, berichten die kalifornischen Forscher, die die alte Methode entstaubten und verbesserten. Einst diente sie zur Herstellung von einfachen Alkoholen, Schießpulver und frühem Plastik, wurde aber später unrentabel. Der jetzt erweiterte Prozess hingegen arbeitet effizient und kann unterschiedlichste Treibstoffe bis zu Diesel liefern, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature“. Zwar ist er noch teurer als die Rohöl-Verarbeitung, doch belastet er die Umwelt dank erneuerbarer pflanzlicher Rohstoffe nicht mit zusätzlichen CO2-Emissionen. Zudem wird der Konflikt „Tank oder Teller“ vermieden: Statt Zucker oder Stärke lassen sich auch Gras, Holz oder Pflanzenreste verarbeiten. In fünf bis zehn Jahren könnte das Verfahren marktreif sein.

„Ich bin wirklich begeistert, dass dies ein fundamental andere Weg ist, aus Rohstoffen – wie Zucker oder Stärke – alle Arten erneuerbarer Dinge zu machen, von Treibstoffen bis zu Allerwelts-Chemikalien wie Plastik“, erklärt Dean Toste, Chemieprofessor an der University of California, Berkeley. „Es verhält sich vergleichbar zu Diesel und kann wie Diesel gemischt werden, passend zu verschiedenen Sommer- oder Winter-Straßenverhältnissen“, ergänzt Harvey Blanch, Koautor und chemischer Ingenieur in Berkeley. Gemeinsam mit Douglas Clarke griff Blanch die Aceton-Butanol-Gärung auf, die 1914 der Chemiker und spätere Präsident Israels Chaim Weizmann entwickelt hatte. Mithilfe des Bakteriums Clostridium acetobutylicum entstehen dabei einfache Alkohole, eine Vorstufe für rauchloses Schießpulver für die britische Armee. Solches Vergären von Zucker oder Stärke zu Alkoholen ist von der Wein- und Bierherstellung bekannt. Allerdings entstehen dabei nur einfache, kurzkettige Alkoholmoleküle – Heizöl und Motortreibstoffe hingegen enthalten große, langkettige Molekülen mit vielen Kohlenstoffatomen. Im zweiten Weltkrieg diente Weizmanns Prinzip noch einmal als Vorstufe für synthetisches Gummi. Doch mit dem Erschließen weltweiter Rohöl-Lagerstätten wurde die Methode spätestens in den 1960er Jahren unrentabel. Bis der Umweltaspekt sie aktuell wieder aus der Versenkung holte.

Im ersten Schritt betrachteten Clarke und Blanch den Gärprozess, mit dem das Bakterium verschiedenste Rohmaterialien umwandelt – aus Traubenzucker und Rohrzucker, Stärke oder auch Zellulose-haltigen Pflanzenteilen. Es entsteht eine Mischung einfacher Alkohole und organischer Säuren. Interessant für den weiteren Prozess sind vor allem Aceton und Butanol und ein wenig Ethanol, doch ihr Herausziehen aus dem Mix, per Destillieren, war bislang nicht effizient. Hier testeten die Forscher verschiedenste Lösungsmittel. Erfolgreich war schließlich vor allem Glyzerintrinitrat, das die gewünschten Moleküle herauslöst und für das Bakterium ungiftig ist. Es spart im Vergleich zum Destillieren 90 Prozent an Energie ein.

Im zweiten Schritt kam Tostes neu entdecktes Katalysatormaterial zum Tragen, das aus Blanches und Clarks kurzkettiger Molekülmischung ein Spektrum langkettiger Kohlenwasserstoffe erzeugte, vor allem Ketone, die dem Spektrum der Alkane im Diesel entspricht und vergleichbar verbrennt. Die Zusammensetzung der Moleküle lässt sich sogar gezielt verändern, berichtet Toste: „Man kann die Größe der Moleküle je nach den Reaktionsbedingungen steuern, um leichtere Kohlenwasserstoffe wie bei Benzin oder die langkettigeren Kohlenwasserstoffe im Diesel oder die verzweigten Kohlenwasserstoffe im Kerosin zu erzeugen.“

Für die Zukunft arbeitet das Forscherteam am Optimieren des Prozesses. In der Katalyse etwa will es Palladium durch günstigeres und langlebigeres Material ersetzen. An der Arbeit waren auch Kollegen des Lawrence Berkeley National Laboratory und der University of Illinois at Urbana Champaign beteiligt, ein Teil der Finanzierung kam vom Energieunternehmen BP.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Integration of chemical catalysis with extractive fermentation to produce fuels“, Pazhamalai Anbarasan, F. Dean Toste et al; Nature, doi:10.1038/nature11594


 

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