Die kriegerischen Illyrer - doch auch friedliche Händler?

Das antike Volk der Illyrer wurde bisher als Krieger- und Piratenvolk angesehen - doch die Illyrer konnten offenbar auch ganz gesittet Handel treiben, wie einzigartige archäologische Funde belegen
Versenkte Wein-Amphoren aus Illyrien
Versenkte Wein-Amphoren aus Illyrien
© Universität Mostar
Oslo (Norwegen) - Die Illyrer gehörten zu jenen Völkern, die erbittert gegen die Römer gekämpft haben. Da sie selbst aber so gut wie keine Schriftzeugnisse hinterlassen haben, wurde vieles von dem, was wir über dieses Volk von der westlichen Balkanhalbinsel wissen, über die Römer vermittelt. Nun zeigen Ausgrabungen eines norwegischen Archäologenteams, dass die Illyrer mit den Römern offenbar auch ganz friedlich Handel trieben. An der kroatischen Küste, im Marschland des Flusses Neretva, fanden die Forscher Ruinen einer Siedlung, Überreste eines Hafens, der vermutlich als Warenumschlagplatz genutzt wurde, sowie gesunkene Boote, die mit Amphoren für Wein beladen waren. Die Funde stammen etwa aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung.

"Der Fund ist aus europäischer Perspektive einzigartig", erklärt Marina Prusac von der Universität Oslo. "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Desilo, wie der Ort genannt wird, ein wichtiger Handelsplatz war, an dem Römer und Illyrer Kontakt miteinander hatten." Im Frühjahr 2007 waren bereits 16 illyrische Boote, mit Wein-Amphoren beladen, von einem kroatischen Archäologen-Team gefunden worden. Dessen Interpretation war, dass die Boote Piratenschiffe der Illyrer gewesen seien und von den Römern versenkt worden seien. Das Team von Marina Prusac nimmt indes an, dass die Boote und die Amphoren nicht auf einmal versenkt worden sind, sondern im Verlauf eines Jahrhunderts. Denn einer der Forscher aus Prusac' Team, Adam Lindhagen, ist spezialisiert auf römische Wein-Amphoren und hat die Amphoren auf ihre besonderen Merkmale untersucht. Die Amphoren, so fand er heraus, waren allesamt an der dalmatinischen Küste gefertigt worden, also dort, von wo auch der Wein Richtung Rom transportiert wurde. Warum die Amphoren versenkt wurden, bleibt jedoch weiter unklar. Eventuell könnte es eine rituelle Handlung gewesen sein, etwa Wein als Besänftigung des Meeresgottes.

Das Reich der Illyrer erstreckte sich laut Herodot im 5. Jahrhundert vor Christus an der Adria vom Morava-Fluss im Osten bis zum Adige-Fluss im Westen. Ab dem 3. Jahrhundert geriet Illyrien immer mehr unter die Herrschaft Roms, wobei es lange Widerstand leistete. Nach der Zeitenwende, zwischen den Jahren 6 und 9, gab es einen Aufstand der Illyrer, den die Römer nur mühsam niederschlagen konnten. Da nimmt es nicht wunder, dass die Illyrer den Ruf eines kriegerischen Volks hatten. Nach der Teilung des römischen Reiches von 395 zählten einige illyrische Gebiete zum Oströmischen Reich, seit etwa 580 ließen sich hier Slawen nieder. Im südslawischen Nationalismus des 19. Jahrhunderts wurde auch gern von der "Illyrischen Bewegung" gesprochen. Heute geht man jedoch davon aus, dass Illyrer und Slawen nichts miteinander zu tun hatten. Allerdings ist die Frage, mit wem die Illyrer eigentlich etwas zu tun haben. Viele Forscher vertreten die Ansicht, dass die Albaner die Nachfahren der Illyrer seien. Doch angesichts der sehr spärlichen Schriftvorkommnisse in Illyrien kann diese These bisher nicht klar bestätigt werden.

Universitetet i Oslo / Eigene Recherche
Quelle: Universitetet i Oslo / Eigener Bericht


 

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