Die Lunge außen

Unterwasserlebende Insekten haben das Atmen aus einer Luftblase perfektioniert - jetzt wurden erstmals die Grenzen ihrer Tauchgänge berechnet
Cambridge (USA) - Das Leben Unter Wasser kann für Insekten sicher und nahrhaft sein - wie lange und bis in welche Tiere diese Tiere unter Wasser atmen können, haben US-Forscher jetzt erstmals berechnet. Wasserlebende Insekten nutzen eine Luftblase, meist durch die Haare am Körper gehalten, mit deren Hilfe sie sogar Sauerstoff aus dem umgebenden Wasser aufnehmen können. Zwischen der Stabilität dieser Luftblasen und dem Sauerstoffbedarf der Insekten besteht ein empfindliches Gleichgewicht, berichten die Forscher im "Journal of Fluid Mechanics". Ihren Berechnungen nach können Insekten bis zu 30 Meter unter die Wasseroberfläche tauchen, ohne dass der Druck die Luftblase zerstört, und zeitlich quasi unbegrenzt untertauchen. Die Forscher liefern auch Details, um technische Lösungen für die Sauerstoffversorgung von Menschen unter Wasser zu entwickeln.

"Weil die Blase als externe Lunge agiert, muss ihre Oberfläche groß genug sein, um den Gasaustausch zu ermöglichen", erklärt Morris Flynn, heute Professor für Ingenieurwissenschaften an der University of Alberta. In seiner Zeit am Massachussetts Institute of Technology (MIT) hatte er gemeinsam mit dem Mathematikprofessor John Bush das Tauchverhalten von Insekten untersucht und berechnet - beispielsweise das einer Wasserwanzenart, des so genannten Zwergrückenschwimmers, der in Wasserpflanzenhainen lebt. In den USA überwintert die Art "Neoplea striola" komplett unter Wasser. Bush und Flynn entwickelten ein mathematisches Modell, das die Haardichte und andere Schlüsselfaktoren berücksichtigt und damit physikalisch mögliche Tauchtiefen berechnen half.

Tauchen die Insekten zu tief, kollabiert die Luftblase unter dem Wasserdruck. Bleiben sie aber zu flach unter der Oberfläche, so ist der Gasaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid behindert und die Blase liefert nicht genügend Sauerstoff zum Atmen, stellten die Forscher überrascht fest. Die Luftblase wird durch die rauen, wasserabstoßenden Haare auf der Bauchseite der Tiere gehalten und sitzt über den winzigen Atemlöchern am Bauch. Eine wachsartige Beschichtung der Haare hilft, das Wasser von der Blasenoberfläche abzuhalten. Für die mechanische Stabilität der Blase ist die Dichte des Haarfilzes kritisch: Je dichter die Haare, desto höher der Druck, dem die Blase widerstehen kann - zu dicht dürfen sie aber auch nicht stehen, da sonst zu wenig Oberfläche zum Atmen vorhanden ist, so die Forscher. Den Berechnungen zufolge sind 30 Meter Tauchtiefe möglich, bevor die Luftblase der Insekten kollabiert. In der Natur bewegen sie sich aber selten tiefer als wenige Meter, da in den oberen Wasserschichten mehr Nahrung und mehr Sonnenlicht vorhanden ist.

MIT, Journal of Fluid Mechanics
Quelle: "Underwater breathing: the mechanics of plastron respiration", M.R. Flynn & J.W.M. Bush; Journal of Fluid Mechanics, Band 608 , S. 275 - 296; DOI:10.1017/S0022112008002048


 

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