Die Hack-Attacke des Terrorvogels

Die am Boden lebenden Urzeitvögel hatten einen für Vögel außergewöhnlich starren Schädel, den sie ähnlich wie eine Axt in ihre Beute trieben
Der Terrorvogel Andalgalornis hackte seinen kräftigen Schnabel ähnlich wie eine Axt in seine Beute
Der Terrorvogel Andalgalornis hackte seinen kräftigen Schnabel ähnlich wie eine Axt in seine Beute
© Marcos Cenizo, Museo de La Plata
Athens (USA) - Die Lebensweise längst ausgestorbener Arten liegt oftmals im Dunkeln - fossile Überreste geben darüber kaum Informationen preis, zumindest auf den ersten Blick. Über die Jagdweise der Terrorvögel konnte ein Team internationaler Forscher nun ein wenig mehr herausfinden: Offenbar hackten die großen, vermutlich mit den Kranichvögeln verwandten Urzeitvögel mit ihrem ausgeprägten und sehr kräftigen Schnabel auf ihre Opfer ein. Ein Schütteln und Seitwärtsbewegen der Beute war dagegen eher unwahrscheinlich, da der außergewöhnlich große, aber starre Schädel dieser Art der Belastung kaum standgehalten hätte, berichten die Paläontologen im Online-Fachblatt "PLoS ONE". Zu diesem Ergebnis kommen sie nach einer komplexen Analyse der Biomechanik der Schädelknochen des ausgestorbenen Laufvogels und anderer, heute lebender Vögel.

"Niemand hat sich jemals an solch einer vergleichenden biomechanischen Analyse eines Terrorvogels versucht", erläutert Federico Degrange vom Museo de La Plata/CONICET in Argentinien, Erstautor der Studie. "Wir müssen die ökologische Rolle ausarbeiten, welche diese erstaunlichen Vögel gespielt haben, wenn wir wirklich verstehen wollen, wie sich das ungewöhnliche Ökosystem Südamerikas über die vergangenen 60 Millionen Jahre entwickelt hat." Die Wissenschaftler hatten den Schädel des Terrorvogels "Andalgalornis" unter die Lupe genommen und mithilfe verschiedener Methoden und moderner Computertechnologie analysiert. Dabei verglichen sie Aufbau sowie Belastungsfähigkeit mit der von Seeadlern und Seriemas, heutigen bodenlebenden Vögeln, von denen angenommen wird, dass sie mit den Terrorvögeln verwandt sind.

Mittels einer computertomographischen Untersuchung stellten die Forscher zunächst fest, dass die Vögel einen hochgradig starren Schädel besaßen. "Vögel haben generell Schädel mit sehr viel Beweglichkeit zwischen den Knochen, welche es ihnen erlaubt, leichte, aber starke Schädel zu haben", erklärt Lawrence Witmer vom Ohio University College of Osteopathic Medicine, einer der beteiligten Forscher. "Doch wir haben herausgefunden, dass Andalgalornis diese mobilen Gelenke in feste Knochen umgewandelt hatte. Dieser Kerl hatte einen starken Schädel, besonders in der Vorne-Hinten-Ausrichtung, trotz eines merkwürdigerweise hohlen Schnabels." Mithilfe der CT-Scans fertigte das Team außerdem komplexe 3D-Modelle des Terrorvogels an, mit deren Hilfe sie über eine spezielle Software biomechanische Eigenschaften des Urzeitvogelschädels simulieren und mit denen von Seeadlern und Seriemas vergleichen konnten. Sie untersuchten dabei etwa, welche Belastungen die Schädelknochen erfahren würden, wenn die Tiere grade nach unten zuhacken, den Schädel mit dem Nacken wieder zurückziehen oder den Kopf seitwärts schütteln. Unterschiedliche Farben standen dabei für unterschiedlich starke Beanspruchung - blau für geringe und weiße für gefährlich hohe.

"Im Vergleich zu anderen Vögeln in der Studie war der Terrorvogel gut daran angepasst, den Schnabel hineinzutreiben und mit dieser fiesen, gekrümmten Schnabelspitze zurückzuziehen", erklärt Stephen Wroe von der University of New South Wales, der an den biomechanischen Berechnungen beteiligt war. "Wenn er aber seinen Kopf von Seite zu Seite schüttelte, dann leuchtete sein Schädel auf wie ein Weihnachtsbaum. Er wäre mit dieser Art der Belastung keinesfalls gut zurecht gekommen." Degrange fasst zusammen: "All diese Informationen zusammen genommen, haben wir entdeckt, dass die Bisskräfte von Andalgalornis ein wenig geringer waren, als wir erwartet hatten, und schwächer als die vieler fleischfressender Säuger vergleichbarer Größe. Andalgalornis könnte den schwächeren Biss ausgeglichen haben, indem er seine kräftige Nackenmuskulatur dazu nutzte, seinen starken Schädel wie eine Axt in seine Beute zu schlagen."

Andalgalornis lebte vor etwa sechs Millionen Jahren im nordwestlichen Argentinien und war mit einer Größe von etwa 1,4 Metern und einem Gewicht von schätzungsweise 40 Kilogramm ein mittelgroßer Terrorvogel. Wie bei allen Terrorvögeln, die sich vor rund 60 Millionen Jahren in Südamerika entwickelt haben und Größen von mehr als zwei Metern erreichen konnten, war auch sein Schädel mit einer Länge von 37 Zentimetern vergleichsweise mächtig. Da es keine heute lebenden Vögel gibt, die den Terrorvögeln - auch Riesenkraniche oder Phorusrhacidae genannt - ähneln, ist über die Lebensweise der ungewöhnlichen Tiere wenig bekannt. Die Studie von Degrange und seinen Kollegen ist die erste, die sich detailliert mit der Jagdstrategie eines ausgestorbenen flugunfähigen Vogels beschäftigt. Mit ihrer biomechanischen Analyse ist es ihnen nun gelungen, den Vögeln ein wenig Leben einzuhauchen.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Mechanical Analysis of Feeding Behavior in the Extinct 'Terror Bird' Andalgalornis steulleti (Gruiformes: Phorusrhacidae)", Federico J. Degrange et al.; PLoS ONE (5(8): e11856. doi:10.1371/journal.pone.0011856)


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg