Der weite Flug des Steinschmätzers

Die nur 25 Gramm leichten, zierlichen Singvögel bewältigen für ihre Verhältnisse gewaltige Entfernungen
Steinschmätzer legen für ihre geringe Körpergröße immense Strecken zurück, reisen alljährlich von Nordamerika nach Afrika
Steinschmätzer legen für ihre geringe Körpergröße immense Strecken zurück, reisen alljährlich von Nordamerika nach Afrika
© H. Schmaljohann, IfV
Wilhelmshaven - Ein kleiner Singvogel reist alljährlich von Nordamerika bis nach Afrika und zurück und das allein und bei Nacht: Der Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe) bewältigt auf seinem Vogelzug innerhalb von ein bis drei Monaten Strecken von etwa 30.000 Kilometern – eine vor allem für sein geringes Körpergewicht von nur rund 25 Gramm immense Leistung. Die lange Reise, auf der die Vögel teilweise bis zu 300 Kilometer pro Nacht schaffen, konnte ein Team internationaler Biologen mit Hilfe winziger Ortungsgeräte nachvollziehen und mit Isotopenanalysen von Federn bestätigen. Der so belegte Flug des Steinschmätzers über offenes Meer und Wüste ist der erste Beweis dafür, dass ein Singvogel nicht nur einfach von Nord nach Süd und zurück reist, sondern sogar Nordamerika mit Afrika und damit Neue und Alte Welt miteinander verknüpft, berichten die Forscher im Fachblatt „Biology Letters”.

„Das ist schon eine erstaunliche Leistung für einen so kleinen Singvogel“, sagt Heiko Schmaljohann von der Vogelwarte Helgoland. „Die ziehen nachts und allein, nicht wie zum Beispiel Wildgänse in der Gruppe.“ In Alaska und Kanada hatten die Biologen 2009 insgesamt 46 Steinschmätzer mit sogenannten Helldunkel-Geolokatoren ausgerüstet – 30 in Alaska, 16 in der ostkanadischen Arktis. Die ultraleichten, elektronischen Geräte wiegen nur 1,2 Gramm und eignen sich damit auch für die zierlichen Singvögel. Sie messen über eine Fotozelle die Sonnenlichtintensität zu bestimmten Uhrzeiten. Positionen der Vögel und damit deren Reiserouten lassen sich nach der Rückkehr der Vögel anhand der gesammelten Daten zu Sonnenauf- und Sonnenuntergangszeitpunkten nachvollziehen. Vier der Geolokatoren – drei aus Alaska, einen aus Kanada – konnten die Biologen 2010 wieder auffinden und auch die enthaltenen Aufzeichnungen auswerten.

Ihre Ergebnisse: Steinschmätzer aus den arktischen Regionen der Neuen Welt überwintern im nördlichen Afrika südlich der Sahara. Individuen aus Alaska flogen dazu im Herbst innerhalb von rund drei Monaten über Russland, Kasachstan und die Arabische Halbinsel und verbrachten den Winter irgendwo im östlichen Afrika. Dieselbe Route nahmen sie im Frühjahr auf dem Weg zurück ins Brutgebiet, waren dann allerdings etwa einen Monat schneller, flogen im Mittel etwa 250 km pro Nacht. Berücksichtigt man die Zeit, die die Vögel während des Zuges mit Rasten verbringen, erhöhen sich die Geschwindigkeiten noch einmal. Die Maximalwerte liegen dann bei zirka 450 Kilometer pro Nacht. Insgesamt legten die Steinschmätzer aus der Arktis rund 30.000 Kilometer pro Jahr zurück. Der Artgenosse aus Kanada schlug einen Weg ein, der ihn an Grönland vorbei zu den britischen Inseln führte und von dort weiter über Europa nach Süden ins westliche Afrika, an die Küste von Mauretanien. Bei ihm dauerte die Rückreise im Frühjahr mit rund 55 Tagen und somit etwa 130 Kilometern am Tag länger als die Herbstreise, die mit einer Reisegeschwindigkeit von durchschnittlich knapp 300 Kilometern am Tag nur etwa 26 Tage dauerte.

Außerdem hatten die Forscher stabile Isotope in den Federn des Wintergefieders der Vögel untersucht. Federn, die während des vorherigen Winters gewachsen sein mussten, konnten sie an Farbe und Aussehen identifizieren. Die chemische Signatur lässt Rückschlüsse darauf zu, wo sich die Vögel im Winter aufgehalten haben. Auch diese Isotopenanalysen legen nahe: Individuen aus Alaska zieht es im Winter vor allem ins östliche Afrika, Steinschmätzer aus dem Osten Kanadas vor allem ins westliche Afrika. Auf die Körpergröße bezogen sei dies eine der längsten Reisen aller Vögel weltweit, fassen die Biologen zusammen. Dies werfe die Frage auf, wie ein Vogel dieser Größe in der Lage ist, solch körperlich anstrengende Reisen zweimal im Jahr erfolgreich zu bewältigen – insbesondere für unerfahrene Jungvögel, die auf eigene Faust losziehen. „Damit haben wir nicht nur mit zwei unabhängigen Methoden die Zugwege und Winterquartiere der nearktischen Steinschmätzer erstmalig aufklären können“, so Schmaljohann. „Vielmehr ist dadurch auch zum ersten Mal eindeutig belegt, dass die Analyse der Zusammensetzung der stabilen Isotope von Federn tatsächlich bisher unbekannte Winterquartiere aufklären lässt.“

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Cross-hemisphere migration of a 25 g songbird“, Franz Bairlein, D. Ryan Norris, Heiko Schmaljohann et al.; Biology Letters, DOI:10.1098/rsbl.2011.1223


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg