Der frühe Vogel entdeckt den Wurm...

...aber ausgiebig gefressen wird erst später
Meise mit Funktransponder am Bein
Meise mit Funktransponder am Bein
© Damien Farine, Oxford University
Oxford (Großbritannien) - Der frühe Vogel fängt den Wurm, besagt eine alte Redensart. Zwei britische Forscher konnten nun beobachten: Im Winter stimmt dies nicht ganz, doch es steckt auch ein wenig Wahrheit in dieser Weisheit. Kleine Singvögel wie Meisen sind nach einer ersten Stärkung bereits am Vormittag unterwegs, um sich auf die Suche nach neuen Futterquellen zu begeben. Dabei gehen sie aber nur auf einen Erkundungstrip, ausgiebig an neu gefundenen Plätzen gefuttert wird später. Erst am fortgeschrittenen Nachmittag kehren die Vögel zu den gefundenen Futterplätzen zurück, berichten die beiden Biologen im Fachblatt „Biology Letters“. Dann fressen sie sich Reserven an, um die kommende kalte Nacht zu überstehen. Mit dieser Strategie erreichen sie einerseits, dass sie erst spät und damit möglichst zeitnah zur Nachtruhe ihre Nahrung aufnehmen. Andererseits vermeiden sie so, dass sie tagsüber zwar satt, aber dadurch auch weniger flink sind, was ihnen zum Verhängnis werden könnte, falls sie auf Räuber treffen.

„Vögel müssen Körperfett speichern, um während kalter Winternächte nicht zu verhungern“, erläutert Damien Farine von der Oxford University. „Das macht sie aber langsamer und weniger manövrierfähig, so dass sie größere Gefahr laufen, von Räubern erwischt zu werden.“ So sei es ein Kompromiss – die Vögel bleiben agil genug, um ihren Räubern tagsüber noch davonkommen zu können, speichern aber gleichzeitig genug Fett, um die Nacht zu überleben. Gemeinsam mit seinem Kollegen Stephen Lang hatte Farine in den Wäldern nahe Oxford das Verhalten unterschiedlicher Singvögel bei der Futtersuche beobachtet – Kohlmeise (Parus major), Blaumeise (Cyanistes caeruleus), Sumpfmeise (Poecile palustris), Tannenmeise (Periparus ater) und Kleiber (Sitta europaea).

Dazu hatten die Biologen an drei Stellen am Morgen sowie an drei weiteren Punkten am Nachmittag für jeweils fünf Stunden Futterkästen aufgestellt, die mit sogenannten RFID-Antennen ausgestattet waren. Viele Vögel in der Gegend waren bereits für eine andere Verhaltensstudie mit den entsprechenden kleinen Funktranspondern versehen worden, so dass die Anwesenheit gefiederter Besucher an den Futterplätzen verzeichnet werden konnte. Zwei Wochen später wiederholten die Forscher den Versuch, tauschten dann aber die jeweilige Tageszeit.

Die Biologen stellten fest, dass die Singvögel ihr Nahrungsaufnahme-Verhalten aufteilen – in Futtersuche und Fressen. Auf diese Weise erreichen die Tiere ein optimales Management zur Minimierung zweier Risiken: einem Räuber zum Opfer zu fallen und zu verhungern. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Vögel sehr unterschiedliche Muster an den Tag legen, was das Auffinden von Futter am Morgen und am Nachmittag betrifft“, sagt Farine. „Während des Nachmittags wurden nur sehr wenige neue Futterplätze gefunden, während nahezu jede neue Futterquelle, die wir am Morgen aufstellten, schnell entdeckt wurde.“ Das stütze die Hypothese einer „Früher Vogel“-Strategie, die von einem Auskundschaften von Futterstellen in der Frühe ausgeht, so dass die Vögel ein paar Stunden vor der Dämmerung als Vorbereitung für eine lange Winternacht zu einem Festmahl zurückkehren können. „Weil kleine Vögel sich nicht fortpflanzen können, ohne den Winter zu überleben“, so Farine, „haben sie ein komplexes Set an Verhaltensweisen entwickelt, das es ihnen ermöglicht, ihre Chancen zu maximieren.“

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg