Der Duft der Frauen stimmt friedlich
„Wie aggressiv ein Fliegenmännchen gegenüber einem männlichen Artgenossen ist, hängt davon ab, ob und wie lange es vorher Kontakt zu einem Weibchen hatte“, fasst der Neurophysiologe Yuh Nung Jan die Untersuchungsergebnisse zusammen. „Wir versuchten also herauszufinden, welche Faktoren das Aggressions-Level der Männchen genau beeinflussten und welche Reaktionen sich im Nervensystem der Tiere beobachten ließen.“ Der Wissenschaftler und seine Kollegen von der Universität von Kalifornien hatten in mehreren Testreihen männliche Taufliegen zuerst mit Weibchen zusammengebracht und anschließend in einen Raum mit anderen Männchen verlegt. Drosophila melanogaster, die Fruchtfliege, spult im Kampf um Nahrung, Territorien und Geschlechtspartner gegenüber Gegenspielern das immer gleiche Verhaltensmuster ab. Darum nutzen Forscher das Insekt häufig, um die genetischen Hintergründe der Aggression zu untersuchen.
Konkret zeigten die Tests, dass Fliegenmännchen, die mehr als zehn Stunden Kontakt zu Weibchen gehabt hatten, anschließend weniger angriffslustig gegenüber anderen Männchen waren – selbst dann, wenn sie sich nicht mit den Weibchen gepaart hatten. Umgekehrt waren Männchen, die sich gepaart hatten, aber anschließend sofort von den Weibchen getrennt worden waren, gegenüber männlichen Artgenossen weiter extrem angriffslustig. In weiteren Versuchen entdeckten die Forscher, dass Fliegenmännchen, die weibliche Lockstoffe nicht wahrnehmen konnten, nach direktem Kontakt zu Weibchen ohne Paarungsakt hoch aggressiv gegenüber Männchen blieben.
„Die Ergebnisse unserer neurobiologischen Testabschnitte weisen darauf hin, dass bei den friedlicheren, weniger aggressiven Männchen bestimmte auf weibliche Lockstoffe reagierende Nervenzellen aktiviert werden“, sagt Yuh Nung Jan. Dazu müssten die Männchen offenbar länger in Kontakt mit den Weibchen kommen. Mit Hilfe der Tests konnten die Forscher um Jan zeigen, dass die sogenannten GABA-Rezeptoren in den Nervenzellen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Diese in Gehirn und Rückenmark weit verbreiteten Rezeptoren verhindern den Transport bestimmter die Aggressivität steigernder Botenstoffe von Nervenzelle zu Nervenzelle. Dadurch, so Yuh Nung Jan, werde die Angriffslust der Männchen gehemmt.
Der Forscher vermutet, dass der gleiche neuronale Mechanismus auch die menschliche Angriffslust und Gewalttätigkeit reguliert. Diverse psychophysiologische Studien sind bereits zu dem Schluss gekommen, dass Menschen ihre Aggression schlecht steuern können, wenn gewisse geistige Prozesse oder die Wahrnehmung von Gefühlen gestört sind. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, solche Störungen zukünftig besser zu begreifen und eventuell zu beheben.