Depression: Entzündung im Gehirn

Bei schweren depressiven Episoden verstärken Entzündungsreaktionen in Teilen der Großhirnrinde möglicherweise die Krankheitssymptome
Zur Behandlung von Depressionen werden dringend neue Medikamente benötigt.
Zur Behandlung von Depressionen werden dringend neue Medikamente benötigt.
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Toronto (Kanada) - Die Aktivität unserer Immunabwehr kann Entzündungsreaktionen auslösen. Das wirkt sich auf die Psyche aus: Man fühlt sich krank, niedergeschlagen und antriebslos. Ein solcher Zusammenhang könnte auch bei schweren depressiven Störungen eine Rolle spielen, bestätigen jetzt kanadische Mediziner. Mit Hirnscans durch Positronen-Emissions-Tomographie (PET) konnten sie zeigen, dass während einer depressiven Episode verstärkt Entzündungsprozesse in bestimmten Teilen der Großhirnrinde ablaufen. Diese waren umso ausgeprägter, je stärker die Krankheitssymptome waren, berichten die Forscher im Fachblatt „JAMA Psychiatry”. Demnach könnten möglicherweise entzündungshemmende Medikamente, die im Gehirn wirksam sind, zur Behandlung von Depressionen beitragen.

„Unsere Ergebnisse liefern den bisher überzeugendsten Beweis für eine Entzündung im Gehirn während einer schweren depressiven Episode“, sagt Jeffrey Meyer vom Centre for Addiction and Mental Health in Toronto. In dieser mindestens zwei Wochen andauernden Krankheitsphase leiden Patienten unter besonders starken Symptomen ihrer Depression. Meyer und seine Kollegen untersuchten die Aktivität von Mikrogliazellen im präfrontalen Cortex und zwei weiteren Teilen der Großhirnrinde. Mikrogliazellen sind die Immunzellen des Hirngewebes. Sie schützen die Nervenzellen vor eingedrungenen Erregern und schädlichen Fremdkörpern, indem sie die Funktion von Makrophagen übernehmen. Die Aktivierung dieses Abwehrsystems ist mit einer verstärkten Produktion des sogenannten Translokatorproteins (TSPO) in den Mikrogliazellen verbunden. Wie aktiv die Abwehrzellen im Gehirn sind, lässt sich durch PET-Scans sichtbar machen. Dazu wird intravenös eine radioaktiv markierte Substanz verabreicht, die sich an das Translokatorprotein anlagert.

An der Studie beteiligten sich zwanzig Patienten, die gerade eine depressive Episode durchmachten, und die gleiche Anzahl gesunder Vergleichspersonen im Alter zwischen 18 und 72 Jahren. Bei den Patienten wurde über einen standardisierten Test der Schweregrad ihrer Erkrankung ermittelt. Die Scans zeigten, dass bei ihnen die Aktivität der Mikrogliazellen in allen untersuchten Hirnregionen etwa 30 Prozent über den Werten der Gesunden lag. Das Ausmaß der so indirekt gemessenen „Neuroinflammation” entsprach dem Schweregrad der Krankheitssymptome. Grundsätzlich sind Entzündungen eine normale Schutzreaktion des Körpers. Fällt diese Reaktion jedoch zu stark aus oder dauert sie zu lange an, kann sie Schaden verursachen. Im vorliegenden Fall vermuten die Forscher, dass die Entzündung im Gehirn depressive Störungen auslöst oder verstärkt.

„Unsere Entdeckung könnte zur Entwicklung neuer Therapien beitragen“, sagt Meyer. Es wäre also vielleicht möglich, mit entzündungshemmenden Wirkstoffen Depressionssymptome zu lindern. Die bisher eingesetzten Medikamente sind nicht gegen Entzündungen gerichtet. Neue Behandlungsmethoden seien auch deshalb dringend nötig, weil die vorhandenen Mittel bei einem großen Teil der Patienten gar nicht wirksam sind.

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