Den ersten Schritten auf der Spur

Mit dem Erlernen von Bewegungen einhergehende Hirnaktivitäten erstmals bei Mäusebabys beobachtet
Ein Mäusejunges lernt, seine Schnurrhaare zur Orientierung zu nutzen
Ein Mäusejunges lernt, seine Schnurrhaare zur Orientierung zu nutzen
© Duke Medicine
Durham (USA) - Wenn ein Baby zum ersten Mal alleine steht, krabbelt oder läuft, gleicht das einem kleinen Wunder. Tatsächlich sind die neurobiologischen Voraussetzungen für diese Leistungen hochkomplex, denn für jede neu erlernte willkürliche Bewegung müssen im kindlichen Gehirn neue Verbindungen zwischen Millionen von Nervenzellen geknüpft werden. Bisher war nicht bekannt, wann, wie und wo dies geschieht. Nun jedoch haben amerikanische Wissenschaftler in Experimenten mit jungen Mäusen Antworten auf diese Fragen erhalten. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachblatt „Neuron“ veröffentlicht.

„Die Schnurrhaare der Maus entsprechen den Fingern des Menschen – bei beiden gibt es Tastsensoren“, sagt die Zellbiologin Fan Wang vom Duke Institute for Brain Sciences. Bei den nachtaktiven Nagern sind die Schnurrhaare das wichtigste Orientierungsorgan. Durch das Hin- und Herbewegen der Haare – das sogenannte „Wischen“ - entlang der Oberflächen in ihrer Umgebung können die Tiere sicher Objekte lokalisieren und erkennen. Dieses Verhalten entwickeln die Mäuse etwa zwei Wochen nach ihrer Geburt, wenn sie ihr Umfeld zu erkunden beginnen. „Wie das Mäusehirn die Bewegungen der Tasthaare kontrolliert, könnte uns erklären, wie die neurale Kontrolle von Fingerbewegungen beim Menschen funktioniert“, so Wang. Sie hat darum bei neugeborenen Mäusen das gesamte Netzwerk aus Hirnzellen untersucht, das in Verbindung mit den motorischen Neuronen die Muskeln der Tasthaare steuert.

Um zu verstehen, wie die motorische Koordinierung der Tasthaare funktioniert, nutzten Wang und Ihre Kollegen die Fähigkeiten des Tollwutvirus, sich über miteinander verbundene Nervenzellen zu verbreiten. Sie infizierten die Mäuse mit einer abgewandelten, fluoreszierenden Form des Virus und verfolgten den Weg der Erreger im Nagerhirn mit elektrophysiologischen Aufzeichnungen. Mithilfe von in den ersten zwei Lebenswochen aufgenommenen Bildern des Gehirns ließ sich so genau bestimmen, ob die Schaltkreise für die Bewegungskontrolle schon vor dem Beginn des Schnurrbartwischens voll entwickelt waren oder sich erst nach zwei Wochen zu vervollständigen begannen.

Die Forscher entdeckten im Stammhirn ganze Ansammlungen von Nervenzellen, die mit den für die Steuerung der Schnurrhaare zuständigen Neuronen verbunden sind. Als Neurotransmitter für die Kommunikation zwischen diesen beiden Neuronenarten fungierte Glutamat. Außerdem zeigte sich, dass die Nervenzellen im Hirnstamm direkt Signale von der motorischen Rinde empfangen. Mit dem Beginn der Umgebungserkundungen entwickelten sich laut der Studie bei den Mäusen tatsächlich neue Nervenmodule, die die Erregung der motorischen Neuronen für die Tasthaarsteuerung durch die Nervenzellen im Hirnstamm in Gang setzen.

Die Ergebnisse der Experimente geben nicht nur Auskunft darüber, wie Schaltkreise für die Bewegungssteuerung funktionieren, so die Forschergruppe um Wang. Ein besseres Verständnis für die Entwickung des menschlichen Gehirns könnte auch zu neuen Behandlungsmethoden bei Patienten führen, die durch eine Hirnverletzung gelähmt sind. Zudem erhoffen sich die Wissenschaftler, einen Beitrag zur Verbesserung von Gliedmaßenprothesen zu leisten.

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