Das Innenohr schwingt nach

Hörorgan speichert Töne länger, als sie tatsächlich erklingen
Portland (USA) - Selbst wenn der Ton nicht mehr klingt, schwingt ein Teil des Innenohrs noch weiter. Dieses Nach-Vibrieren, das US-Forscher an Meerschweinchen messen konnten, hängt von der Stärke und Frequenz des gerade vergangenen Tones ab und könnte als eine Art mechanisches Archiv dienen. Bisher war vermutet worden, dass die Haarzellen im Ohr während des Klanges schwingen und mit seinem Ende sofort wieder zur Ruhe kommen. Doch offenbar vibriert das so genannte Corti-Organ, in dem die Haarzellen sitzen, noch länger. Das könnte auch erklären, so die Forscher, weshalb sehr kurze akustische Lücken vom menschlichen Ohr nicht wahrgenommen werden. Sie veröffentlichen die Details der Untersuchung im der kommenden Ausgabe des "Biophysical Journal" (doi:10.1016/j.bpj.2011.02.025).

"Weil die Kräfte, die die Haarzellen erzeugen, durch den akustischen Reiz ausgelöst werden, nahm man an, dass sie enden, sobald der Reiz endet", erklärt Alfred L. Nuttall vom Oregon Hearing Research Center. Gemeinsam mit Kollegen des Karolinska Instituts Stockholm hatte sein Team das Hören narkotisierter Meerschweinchen vermessen. Sie platzierten eine ausgeklügelte Sensorik im Innenohr der Tiere, um die Schwingungen zu registrieren und die Aktionspotentiale zu messen, welche die Haarzellen an den Hörnerv weitergeben. Dann ließen sie vor dem Trommelfell verschiedene Töne und Klänge ertönen. Fazit der Messungen, so Nuttall: "Es zeigte sich, dass einige Töne Schwingungen erzeugen, die selbst nach dem Ende des Reizes noch weitergehen."

Komplizierter Hörprozess

Während Gehörgang und Trommelfell die akustischen Reize nur weiterleiten, findet das eigentliche Hören in der Cochlea, der Hörschnecke des Innenohrs statt. In ihr sitzt das Corti-Organ auf einer Basilarmembran und beherbergt tausende winziger Haarzellen, die für die Schallwahrnehmung verantwortlich sind. Geraten die Härchen in Bewegung, so senden sie über den Hörnerv Nervus vestibulocochlearis Signalimpulse zum Zentralen Nervensystem. Dabei reagieren einige der Haarzellen auf die Vibrationen der Basilarmembran, indem sie Kräfte erzeugen, die die Hörempfindlichkeit verstärken und die Wahrnehmung der Frequenzen beeinflussen. Wie dies genau geschieht, ist bislang unklar. Die Forscher hoffen jedoch, mit ihren Ergebnissen auch hier neue Erkenntnisse zu bekommen, dazu seien allerdings weitere Untersuchungen nötig.

"Die Nachschwingungen scheinen durch anhaltende Krafterzeugung im Innenohr getrieben zu sein - eine Art Kurzzeitgedächtnis der zurückliegenden Stimulationen", erklärt Nuttall. Ihre Intensität hing ab von der Stärke und Frequenz der Klangreize. Andererseits führte bereits geringer Hörverlust zu deutlich weniger Nachschwingungen. Noch ist unklar, wie sich das Phänomen etwa auf Gespräche auswirkt, so der Forscher: "Die Fähigkeit, kurze Lücken in einem anhaltenden Reiz wahrzunehmen, ist kritisch für die Spracherkennung. Pausen müssen länger sein als ein Minimal-Intervall, damit sie wahrgenommen werden. Da die Nachschwingungen aber die Fasern des Hörnervs anregen, könnte dies die Schwierigkeiten erklären, solche Lücken zu erkennen."

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Persistence of Past Stimulations: Storing Sounds within the Inner Ear", Jiefu Zheng, Alfred L. Nuttall, Anders Fridberger et. al; Biophysical Journal, Volume 100
doi:10.1016/j.bpj.2011.02.025


 

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