Darmkeime regulieren Gene von Hirnzellen

„Wir sind erst im Frühstadium dieser Forschung. Aber es ist eine reizvolle Vorstellung, mit Hilfe von Darmbakterien microRNAs in bestimmten Hirnregionen gezielt zu beeinflussen“, sagt Gerard Clarke vom University College Cork. Denkbar wäre zum Beispiel der Einsatz von „Psychobiotika“ – Präparate mit ausgewählten Darmkeimen, die die Psyche positiv beeinflussen und bei Angststörungen oder Depressionen helfen könnten. Eine solche Behandlung wäre einfacher und unbedenklicher als Medikamente einzusetzen, die in bestimmte Hirnregionen eindringen und dort die microRNA-Produktion stimulieren oder hemmen.
Die Forscher stellten fest, dass sich keimfrei und normal aufgezogene Mäuse im Gehalt von 103 microRNAs in der Amygdala und von 31 microRNAs im präfrontalen Cortex unterschieden. Wenn der keimfreie Darm drei Wochen alter Mäuse im Verlauf einer normalen Tierhaltung wieder mit Bakterien besiedelt wurde, normalisierte sich auch die Produktion einiger microRNAs in den Hirnzellen. Umgekehrt bewirkte die vollständige Eliminierung der Darmflora durch mehrere Antibiotika bei Ratten Veränderungen im microRNA-Spiegel der beiden untersuchten Hirnregionen. Eine der microRNAs (miR-206-3p), deren Funktion durch die Darmflora beeinflusst wird, reguliert die Produktion des Wachstumsfaktors BDNF, der Wachstum und Entwicklung von Neuronen steuert. Fehlende Darmkeime verringerten die BDNF-Bildung bei Mäusen und Ratten. Auch bei einigen neurologischen Erkrankungen des Menschen sinkt der Spiegel dieses Botenstoffs.
Welche Bakterienarten auf welchem Wege die Produktion bestimmter microRNAs im Gehirn kontrollieren, ist noch nicht bekannt. Die Kommunikation zwischen Darmkeimen und Gehirn könnte entweder über den Vagusnerv erfolgen, der auch den Bauchraum mit dem Gehirn verbindet, oder über Stoffwechselprodukte wie kurzkettige Fettsäuren, die von den Bakterien freigesetzt werden.