Cooler Stoff
„Der menschliche Körper ist eine perfekte Heizung“, sagt Min Ouyang von der University of Maryland in College Park. „Seit jeher regulieren wir diese Heizung, indem wir mehr oder weniger Kleidung tragen.“ Doch die neue Textilfaser, die Quyang gemeinsam mit seinen Kollegen entwickelt hat, wirkt selbst als effizienter Temperaturregulator. Sie besteht aus zwei Fasertypen: einem hydrophoben, Wasser abstoßenden Triacetat und hydrophiler, Wasser liebender Zellulose. Mit zunehmender Feuchtigkeit, wie sie beim Schwitzen entsteht, zieht sich diese sogenannte bimorphe Faser zusammen. Dabei öffnen sich die Maschen des Stoffes und Wärme kann durch diese Öffnungen austreten. Beim Trocknen dehnt sich die Faser wieder aus und die Maschen schließen sich.
Allein dieser bereits bekannte Effekt kann schon etwas zur Wärmeregulierung beitragen. Doch Ouyang und Kollegen optimierten ihren Stoff weiter und fügten zusätzlich eine hauchdünne Beschichtung aus elektrisch leitfähigen Nanoröhrchen aus Kohlenstoff hinzu. Mit verblüffenden Folgen: Zogen sich nun bei Feuchtigkeit die mit Nanoröhrchen beschichteten Fasern des Stoffes zusammen, verringerte sich der Abstand zwischen ihnen. Dadurch veränderte sich das Absorptionsverhalten für infrarote Wärmestrahlung. Der feuchte Stoff mit geweiteten Maschen ließ zudem bevorzugt Infrarotstrahlung mit Wellenlängen um zehn Mikrometer hindurch. Vor allem in diesem Spektralbereich emittiert ein schwitzender menschlicher Körper Wärmestrahlung, die nun leichter nach außen abgegeben werden konnte. „Der Stoff reagiert quasi auf die Wärmestrahlung des menschlichen Körpers“, sagt Ouyangs Kollege YuHuang Wang.
Zahlreiche Versuche der Forscher ergaben, dass ihr beschichteter Stoff im warmfeuchten Zustand etwa 35 Prozent mehr Wärme durchließ als im trockenen Zustand. Dadurch wirkte er kühlend. Getrocknet verschob sich das Emissionsfenster für Infrarotstrahlung zu Wellenlängen zwischen 20 und 25 Mikrometern. Das hatte zur Folge, dass die Körperwärme wieder stärker blockiert wurde und der Stoff zunehmend wärmte. Diese Wandlung vollzog sich zudem sehr schnell in Abhängigkeit von der Feuchtigkeit. So könnte ein Trikot aus diesem bimorphen Stoff bereits kühlend wirken bevor es einem Jogger zu warm wird.
Bisher haben die Wissenschaftler ihre Fasern zu einem etwa einen halben Quadratmeter großen Stoffstück verwoben. Das gelang auch ohne große Probleme, da sowohl Zellulose- als auch Triacetat-Faser bereits in der Textilindustrie genutzt werden. Für die Beschichtung mit Nanoröhrchen aus Kohlenstoff müsste jedoch noch ein günstiges, großtechnisches Verfahren entwickelt werden. Sollte dies gelingen, wäre schon bald Sportkleidung mit einer integrierten Wärmeregulierung vorstellbar.