Coole Sänger haben mehr Erfolg

Vogelkonzert: In der morgendlichen Kälte wirkt der Gesang männlicher Ammern besonders attraktiv auf die Weibchen
Die Lincoln-Ammer (Melospiza lincolnii) ist ein nordamerikanischer Singvogel.
Die Lincoln-Ammer (Melospiza lincolnii) ist ein nordamerikanischer Singvogel.
© U.S. National Park Service, Isle Royale National Park
Chapel Hill (USA) - Ausgerechnet im Morgengrauen, wenn die Temperaturen ihren Tiefpunkt erreichen, ist die Gesangsaktivität männlicher Singvögel am größten. Vielleicht wollen sie damit den Weibchen ihre Fitness beweisen. Das schließen amerikanische Biologen aus Experimenten mit Lincoln-Ammern. Sie haben festgestellt, dass Weibchen bei niedrigen Temperaturen stärker auf den Gesang eines Männchens reagieren als bei höheren. Das sei ein Beispiel dafür, wie Umweltbedingungen die Attraktivität eines sexuellen Signals beeinflussen können, erklären die Forscher im Fachblatt „Biology Letters“.

„Männliche Vögel, die bei Tagesanbruch singen, könnten damit ihre Fähigkeit demonstrieren, Kälte zu tolerieren“, schreiben Michaël Beaulieu und Keith Sockman von der University of North Carolina in Chapel Hill. In einem Brutgebiet der Lincoln-Ammer (Melospiza lincolnii) registrierten die Biologen zunächst Temperatur und Zahl der Gesänge dieses Vogels im Tagesverlauf. Die Gesangsaktivität begann kurz vor Sonnenaufgang um 5 Uhr und ließ nach einem Maximum um 5.30 Uhr schnell wieder nach. Die Temperatur erreichte zwischen 5.30 und 7 Uhr mit etwa 6 Grad ihren niedrigsten Wert und stieg am Tag bis 14 Grad an.

Im Labor spielten die Forscher dann aufgezeichnete Gesänge ab und beobachteten, wie dicht sich die Weibchen dabei dem Lautsprecher näherten. Bei einer Umgebungstemperatur von einem Grad Celsius reagierten die Weibchen 40 Prozent stärker auf den Gesang als bei 16 Grad. Zusätzliche Experimente zeigten, dass in der Kälte gehörte Gesänge ein bis zwei Tage später beim erneuten Abspielen bei 16 Grad auf mehr Interesse stießen als Gesänge, die zuvor bei der höheren Temperatur gehört wurden. Die Kälte steigerte also die Attraktivität eines Gesangs und verstärkte die Erinnerung daran.

Diese Reaktion der Weibchen könnte sich entwickelt haben, damit sie die biologische Fitness eines Männchens besser beurteilen können. Wer es sich leisten kann, nach kalter Nacht noch vor Beginn der Nahrungssuche erst mal zu singen, muss über große Energiereserven verfügen. Wenn die Temperatur bei dieser Kommunikation eine so wichtige Rolle spielt, könnte die Klimaerwärmung eine solche Form der Partnerwahl stören, schreiben die Autoren. Es sei denn, die Ammern zögen sich in höher gelegene Regionen oder nördlichere Breiten zurück.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Song in the cold is 'hot': memory of and preference for songs perceived under thermal challenge“, Michaël Beaulieu, Keith W. Sockman, Biology Letters, DOI: 10.1098/rsbl.2012.0481


 

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