Boden unter dem Aralsee hebt sich

Auch wenn der Aralsee mit einem Wasserspiegel von gut 50 Metern nie besonders tief war, summierten sich die Wassermengen auf rund 1000 Kubikkilometer. Das entspricht der Masse von 1000 Milliarden Tonnen. Das Team um Geophysiker Wenzhi Fan von der Peking University analysierte nun die Höhe des ehemaligen Seebodens genauer. Messungen mit dem europäischen Radarsatelliten Sentinel-1 zeigten, dass sich der Boden zwischen 2016 und 2020 um bis zu sieben Millimeter pro Jahr relativ schnell hob. Verantwortlich dafür ist die fehlende Wasserlast.
Aufbauend auf diesen Daten simulierten Wenzhi Fan und seine Kollegen die Dynamik im Untergrund unter dem Aralsee mit geophysikalischen Modellen. Mit diesen offenbarte sich das viskoelastische Verhalten der heißen und zähflüssigen Mantelgesteine in 130 bis 190 Kilometer Tiefe. Ohne die Wasserlast strömt Mantelgestein von den Seiten unter den Boden des Aralsee und hebt die darauf lagernde, feste Erdkruste in die Höhe. Dieser langsame Prozess wird wahrscheinlich noch viele Jahrzehnte anhalten.
Noch gibt es zwischen den Messungen und dem geodynamischen Modell allerdings einige Abweichungen. Auch den Einfluss des sich veränderden Grundwasserspiegels konnten die Forscher noch nicht eindeutig klären. So liefert das dramatische Austrocknen des Aralsees für Geophysiker eine gute Möglichkeit, um geologische Prozesse im oberen Erdmantel mit optimierten Modellen noch besser verstehen zu können als bisher. Sicher ist auf alle Fälle, dass der Aralsee ein Beispiel dafür ist, dass sich menschliche Aktivitäten auch auf extrem langsame geologische Vorgänge auswirken können. Das ist neben den Folgen des Klimawandels ein weiteres starkes Argument für den Beginn einer neuen, vom Menschen eingeleiteten, aber noch umstrittenen Epoche der Erdgeschichte – dem Anthropozän.