Boden unter dem Aralsee hebt sich

Verlust von 1000 Milliarden Tonnen Wasser hat von Menschen verursachte Auswirkungen auf Prozesse im Erdmantel
Vom Aralsee ist nur noch ein kleiner Rest übrig wie diese Aufnahme eines europäischen Satelliten vom 18. März 2025 zeigt.
Vom Aralsee ist nur noch ein kleiner Rest übrig wie diese Aufnahme eines europäischen Satelliten vom 18. März 2025 zeigt.
© Sentinel, ESA
Peking (China) - Vor rund 70 Jahren war der Aralsee zwischen Kasachstan und Usbekistan noch der viertgrößte See der Welt. Doch seit den 1950er Jahren werden große Zuflüsse für die Bewässerung vor allem von Baumwollfeldern umgeleitet. Seitdem trocknete der Aralsee, der einst etwa so groß war wie Bayern, bis auf ein Zehntal seiner ursprünglichen Fläche aus. Nicht nur die die ehemalige Fläche des Sees und die Umgebung wandelt sich dadurch gravierend zu einer Wüste. Der Wasserschwund wirkt sich sogar bis tief in die Erde auf Prozesse im Erdmantel aus. Zu diesem Ergebnis kommen chinesische und amerikanische Forschende in einer neuen Studie, die sie nun im Fachblatt „Nature Geoscience“ vorstellen.

Auch wenn der Aralsee mit einem Wasserspiegel von gut 50 Metern nie besonders tief war, summierten sich die Wassermengen auf rund 1000 Kubikkilometer. Das entspricht der Masse von 1000 Milliarden Tonnen. Das Team um Geophysiker Wenzhi Fan von der Peking University analysierte nun die Höhe des ehemaligen Seebodens genauer. Messungen mit dem europäischen Radarsatelliten Sentinel-1 zeigten, dass sich der Boden zwischen 2016 und 2020 um bis zu sieben Millimeter pro Jahr relativ schnell hob. Verantwortlich dafür ist die fehlende Wasserlast.

Aufbauend auf diesen Daten simulierten Wenzhi Fan und seine Kollegen die Dynamik im Untergrund unter dem Aralsee mit geophysikalischen Modellen. Mit diesen offenbarte sich das viskoelastische Verhalten der heißen und zähflüssigen Mantelgesteine in 130 bis 190 Kilometer Tiefe. Ohne die Wasserlast strömt Mantelgestein von den Seiten unter den Boden des Aralsee und hebt die darauf lagernde, feste Erdkruste in die Höhe. Dieser langsame Prozess wird wahrscheinlich noch viele Jahrzehnte anhalten.

Noch gibt es zwischen den Messungen und dem geodynamischen Modell allerdings einige Abweichungen. Auch den Einfluss des sich veränderden Grundwasserspiegels konnten die Forscher noch nicht eindeutig klären. So liefert das dramatische Austrocknen des Aralsees für Geophysiker eine gute Möglichkeit, um geologische Prozesse im oberen Erdmantel mit optimierten Modellen noch besser verstehen zu können als bisher. Sicher ist auf alle Fälle, dass der Aralsee ein Beispiel dafür ist, dass sich menschliche Aktivitäten auch auf extrem langsame geologische Vorgänge auswirken können. Das ist neben den Folgen des Klimawandels ein weiteres starkes Argument für den Beginn einer neuen, vom Menschen eingeleiteten, aber noch umstrittenen Epoche der Erdgeschichte – dem Anthropozän.

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