Blüten-Halo: Hummeln fliegen auf blaues Streulicht

Blüten locken ihre Bestäuber mit einem bisher unbekannten Lichteffekt ungeordneter Nanostrukturen an
Viele Blüten reflektieren über teils ungeordnete Nanostrukturen blaues und ultraviolettes Licht, um damit Bienen und Hummeln anzulocken.
Viele Blüten reflektieren über teils ungeordnete Nanostrukturen blaues und ultraviolettes Licht, um damit Bienen und Hummeln anzulocken.
© Edwige Moyroud
Cambridge (Großbritannien) - Die Farbenpracht von Schmetterlingen und Pfauenfedern gründet nicht nur auf Pigmenten, sondern auch auf Reflexionen an Nano- bis Mikrometer kleinen Strukturen auf der Oberfläche. Sogar Pflanzen nutzen dieses Kunststück, um ihre Blüten in blauen Farbtönen schillern zu lassen und damit Bienen anzulocken. Britische und deutsche Forscher analysierten die Ursache für diesen Farbeffekt nun genauer. In der Fachzeitschrift „Nature“ berichten sie, dass selbst etwas ungeordnete Nanostrukturen ausreichen, um einen sogenannten Halo zu erzeugen. Dieses Phänomen war bisher nicht bekannt, ist aber wesentlich für das Anlocken von bestäubenden Insekten verantwortlich.

„In der Natur sind solche Strukturen nicht perfekt periodisch, sondern leicht ungeordnet“, sagt Tobias Wenzel, Physiker an der University of Cambridge. „Wir zeigen erstmals, dass diese Unordnung kein Nachteil sein muss, sondern bisher unbekannte, optische Funktionalitäten hervorbringen kann.“ Mit seinen Kollegen analysierte er zuerst die Oberflächen einer Vielzahl verschiedener Blüten mit einem Elektronenmikroskop. Bei fast allen Blüten entdeckten sie filigrane Rillenstrukturen mit Dimensionen von einigen hundert Nanometer. Obwohl diese Strukturen nicht immer periodisch waren und in Breite und Abstand variierten, konnten sie einfallendes Licht auf verblüffende Weise reflektieren. So wurden bevorzugt blaue und ultraviolette Lichtwellen derart gebrochen und gestreut, dass ein Halo entstand, ein relativ intensives Streulicht, das nur unter einem schmalen Blickwinkel von bis zu 25 Grad sichtbar war.

Dieses Streulicht könnte für das Anlocken von bestäubenden Bienen oder Hummeln von großer Bedeutung sein. Denn diese Insekten sind dazu fähig, mit ihren Sehzellen blaues und ultraviolettes Licht zu erkennen. Um die Bedeutung des Streulichteffekts zu belegen, fertigten Wenzel und Kollegen mit fokussierten Elektronenstrahlen künstliche Blüten mit ebenfalls mehr oder weniger geordneten Rillenstrukturen an der Oberfläche. Weitere künstliche Blüten hatten nur eine flache Oberfläche, wurden jedoch mit Farbstoffen eingefärbt.

In weiteren Verhaltensexperimenten beobachteten die Forscher, wie Hummeln auf diese künstliche Blüten reagierten. Nach kurzer Trainingszeit lernten die Hummeln, dass nur Blüten mit einem Halo-Effekt auch eine schmackhafte Zuckerlösung enthielten. Blütenmuster mit flacher Oberfläche ohne blau-ultraviolettes Streulicht wurden trotz Einfärbung mit Farbpigmenten verschmäht. „Blau und Ultraviolett sind wichtige Signalfarben für Bienen, aber viele Pflanzen können diese Farben chemisch nicht herstellen“, sagt Wenzel. „Doch die teils-ungeordnete Nanostruktur könnte Pflanzen helfen, dieses genetische Hindernis zu überwinden.“

Wenzel ist davon überzeugt, dass sie aus technischer Sicht vermutlich nie auf den Effekt gestoßen wären, weil er einer geringen, aber optimierten Unordnung basiert. Weitere Experimente mit genetisch veränderten Blütenpflanzen sind geplant, um die ausschließlich auf der Oberflächenstruktur basierenden photonischen Effekte weiter zu untersuchen. „Vielleicht könnten die Populationen von bestäubenden Insekten mit bionischen, synthetischen Oberflächen oder ausgesuchten Blütenpflanzen mit einem starken Halo-Effekt besser genutzt werden“, schreibt Dimitri Deheyn von der University of California in San Diego in einem begleitenden Kommentar.

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