Bitte recht freundlich! Privatfotos helfen beim Vogelzählen

„Wir haben herausgefunden, dass die Population aktuell mit einer unerwarteten Rate von fünf Prozent jährlich ansteigt”, erläutert Jonas Hentati-Sundberg von der Universität Stockholm. „Das ist besonders deshalb interessant, weil viele Trottellummenpopulationen weltweit schrumpfen.” Die Seevögel seien nicht nur charismatisch und leicht zu beobachten, sondern gleichzeitig auch ein wesentlicher Teil des marinen Ökosystems und daher eine Art Botschafter der Vorgänge, die unter der Wasseroberfläche ablaufen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Olof Olsson hatte Hentati-Sundberg die Entwicklung einer Kolonie Trottellummen (Uria aalge) auf Stora Karlsö allein anhand einer Vielzahl von Fotos nachvollzogen. Die gerade mal 2,5 Quadratkilometer große Insel liegt westlich von Gotland und ist bereits seit den 1880er Jahren ein Naturschutzgebiet, das per Boot erreicht werden kann. Sie ist ein beliebtes Reiseziel für Vogel- und Pflanzenliebhaber und lockt jährlich rund 10.000 Besucher an. Und so kommt es, dass auch die Trottellummenkolonie im vergangenen Jahrhundert auf zahlreichen Fotos verewigt wurde.
Aus nationalen und regionalen Archiven sowie über Bildagenturen und Zeitungs-, Internet- und Radioaufrufe hatten die Biologen insgesamt 113 Aufnahmen aus 37 Jahren zwischen 1918 und 2005 zusammengetragen. Diese Bilder ergänzten sie mit einer jüngeren, detaillierten Fotodokumentation der Kolonie aus den Jahren 2005 bis 2015. Auf all diesen Fotos zählten die Forscher die brütenden Vögel und belegten so das Auf und Ab der Kolonie: Im frühen 20. Jahrhundert war die Zahl der Trottellummen aufgrund von Jagd und dem Sammeln der Eier stark dezimiert. Das spiegeln auch die alten Fotografien aus den 1920er Jahren wieder, die die geringsten Zahlen brütender Vögel dokumentieren. Doch die Bemühungen zum Schutz der Tiere auf der Insel machte sich bezahlt. Langfristig gesehen ist die Zahl der Trottellummen auf Stora Karlö stetig gestiegen. Und heute ist die Kolonie mehr als fünfmal größer, als sie es in den frühen 1920ern war.
Die Fotosammlung belegt allerdings auch eine Entwicklung, die bisher nicht dokumentiert war: In den 1960er Jahren erfuhr die Population einen merklichen Einschnitt, der bis in die 1980er Jahre anhielt. Dieser ist vermutlich auf verschiedene Einflussfaktoren zurückzuführen, denken die Biologen, darunter auf Umweltgifte wie Polychlorierte Biphenyle (PCB) und Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) und auf bestimmte Fischfangmethoden. „Es ist plausibel anzunehmen, dass Umweltverschmutzung eine Rolle für den Rückgang gespielt hat”, so Hentati-Sundberg. Man habe bisher aber nicht gewusst, dass Seevogelpopulationen von diesen Umweltgiften beeinflusst wurden. Das Einschränken dieser Umweltgifte sowie der Jagd und des Fischfangs seit den 1980er Jahren haben neben weniger Ölkatastrophen und einer guten Ernährungslage vermutlich zur Erholung und wieder steigenden Zahl der Trottellummen beigetragen. Seither sind die Zahlen besonders stark und stetig gestiegen und haben 2015 einen historischen Höchststand erreicht.