Bestimmen Darmbakterien, was uns schmeckt?

Möglicherweise beeinflussen die Mikroben unser Verhalten, damit wir essen, was ihnen nützt
Milchsäurebakterien bilden einen wichtigen Teil einer gesunden Darmflora des Menschen.
Milchsäurebakterien bilden einen wichtigen Teil einer gesunden Darmflora des Menschen.
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San Francisco (USA) - Die Art der Ernährung beeinflusst, welche Bakterienarten in unserem Darm gedeihen und welche nicht. Aber auch in umgekehrter Richtung ist eine Einflussnahme möglich: Bestimmte Gruppen von Darmbakterien könnten Botenstoffe produzieren, die unser Essverhalten so verändern, dass es ihnen nützt. Über welche Mechanismen eine solche Manipulation ablaufen kann, diskutieren amerikanische Forscher jetzt im Fachblatt „BioEssays”. Sie halten es für denkbar, dass Signale von Darmkeimen auf Hormondrüsen, Nerven- und Immunsystem einwirken, und so individuelle Vorlieben und Abneigungen gegenüber Nahrungsmitteln hervorrufen. Das könnte in manchen Fällen die Entwicklung von Fettleibigkeit, Diabetes und Essstörungen begünstigen.

„Mikroben haben die Fähigkeit, Verhalten und Stimmung zu manipulieren, indem sie Nervensignale im Vagusnerv und Geschmacksrezeptoren verändern oder Wirkstoffe freisetzen, die gute oder schlechte Laune erzeugen“, sagt Athena Aktipis von der University of California in San Francisco. Über den Vagus stehen Millionen von Nervenzellen des Verdauungstraktes in Verbindung mit dem Gehirn, wo Gefühle von Appetit, Sättigung, Ekel und Verlangen erzeugt werden. Versuche mit Mäusen hätten beispielsweise gezeigt, so Aktipis und ihre Kollegen, dass spezielle Stämme von Darmbakterien sogar das ängstliche Verhalten eines Tieres verstärken. Und eine Studie mit Menschen habe ergeben, dass die Aufnahme probiotischer Milchsäurebakterien der Art Lactobacillus casei eine schlechte Stimmung verbessert.

Die zahlreichen Arten von Darmbakterien unterscheiden sich stark in ihren Ernährungsvorlieben. So verwerten manche bevorzugt Kohlenhydrate, andere dagegen Fette. Man kann den Darm als Ökosystem betrachten, in dem die Prozesse der Evolution ablaufen. Für Mikroben mit ähnlichen Nährstoffbedürfnissen wäre es vorteilhaft, das Essverhalten ihres Wirtes so zu beeinflussen, dass sie davon besonders profitieren. Andererseits kann ein Mensch durch die Wahl seiner Speisen bestimmen, welche Keimarten sich stärker vermehren und welche aussterben. Zum Beispiel findet man nur im Darm von Japanern Bakterien, die sich auf den Abbau von Algen spezialisiert haben, ein häufiger Bestandteil von Nahrungsmitteln dieser Menschen. Es wäre interessant zu wissen, so die Forscher, ob solche Bakterien nach Übertragung in den Darm anderer Menschen Signale erzeugen, die den Appetit auf algenhaltige Lebensmittel anregen.

Was einigen Mikrobenarten nützt, könnte dem Menschen schaden und Ursache von Darmkrankheiten, Fettleibigkeit oder Diabetes sein. Aber zum Glück können wir das Artenspektrum unserer einzelligen „Hausgäste” auch zu unseren Gunsten beeinflussen, indem wir ganz bewusst entscheiden, was wir essen, sagt Carlo Maley, ein Mitglied des Autorenteams. Schon 24 Stunden nach einer Umstellung des Essverhaltens gebe es messbare Veränderungen der Darmflora. Die Zufuhr von probiotischen Bakterien und Nahrungsergänzungsmitteln könnte zusätzlich helfen, einen ausgewogenen Mix von Bakterienpopulationen herzustellen, die unserer Gesundheit dienen. Das Ziel seien neue Therapien, die auf einer Normalisierung einer gestörten Darmflora beruhen, sagt Aktipis. „Wir haben gerade erst begonnen zu verstehen, welche Bedeutung die Darmbakterien für die menschliche Gesundheit haben“.

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