Bessere Heiratschancen trieben die Wikinger durch die Welt

Wikinger zogen plündernd und raubend durch Europa, um mit Gold und Geschmeide ihre Chancen auf Heirat und Familiengründung zu verbessern
Seekrieger in einer Darstellung aus dem 9. oder 10. Jahrhundert - die roten Schilde deuten auf Dänen hin
Seekrieger in einer Darstellung aus dem 9. oder 10. Jahrhundert - die roten Schilde deuten auf Dänen hin
© Wikipedia / Public Domain
Cambridge (Großbritannien) - Für die Menschen im frühen Mittelalter gehörten Überfälle der Wikinger zu den großen Heimsuchungen. Besonders England und Irland hatten unter den Plünderungen und Raubzügen der Nordmänner zu leiden. Oft wurde in der Forschung gerätselt, was die Wikinger antrieb, immer wieder in fremde Territorien einzubrechen. Jetzt sagt ein britischer Archäologe: Das Hauptmotiv waren die verbesserten Heiratschancen. Denn in der Wikingergesellschaft sei die bewusste Tötung von weiblichen Säuglingen oft geübte Praxis gewesen. Dies führte unweigerlich dazu, dass jeweils knapp zwei Jahrzehnte später ein Mangel an heiratsfähigen Frauen bestand, legt der Forscher in der Fachzeitschrift "Antiquity" dar.

Der systematische Mord an weiblichen Neugeborenen als Teil der heidnischen Wikinger-Kultur sei in späteren mittelalterlichen Quellen erwähnt worden, so James Barrett von der University of Cambridge. Doch archäologische Belege fehlen. Darum greift der Forscher zum Ausschlussprinzip und macht sich daran, andere gern genannte Gründe für die Wikinger-Feldzüge zu widerlegen. Besonderes Augenmerk legte er auf die Entkräftung der These, dass ihre Geschicklichkeit und Kompetenz im Schiffbau die Wikinger dazu gebracht habe, immer wieder übers Meer zu fahren und in verschiedene Reiche einzufallen. "Schiffe, die eine größere Anzahl von Kriegern befördern können, sind eine Voraussetzung, aber nicht die Ursache für die Wikingerzüge", so Barrett.

Für junge Wikinger sei es üblich gewesen, in militärischen Brüderschaften über die Meere zu segeln und Beute zu machen, wo die Gelegenheit günstig war. Doch ab einem gewissen Alter kehrten sie nach Hause zurück, um zu heiraten und eine Familie zu gründen. Heirat und Familiengründung waren für Wikinger, die das jugendliche Alter hinter sich gelassen hatten, offenbar eine Pflicht. Da aber vermutlich die systematisch praktizierte Tötung von weiblichen Neugeborenen oft dazu führte, dass zu bestimmten Zeiten ein Mangel an heiratsfähigen Frauen herrschte, entstand eine große Konkurrenz um die Gunst der wenigen Frauen, die das Erwachsenenalter erreicht hatten. Diese Gunst konnten sich die Wikinger offenbar mit kostbarem Schmuck erkaufen. Tatsächlich, so Barrett, fand man in Gräbern von Wikinger-Frauen Beuteschmuck als Grabbeigaben. So gewann eine starke gesellschaftliche Verpflichtung, die in einer einzigen Kultur bestand - nämlich in der Kultur der Wikinger - Einfluss auf den Gang der Ereignisse in ganz Europa.

Antiquity
Quelle: "What caused the Viking Age?", James H. Barrett, Antiquity, Vol. 82 (2008), Number 317, S. 671–685


 

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