Bärtierchen im Weltall

Die winzigen, achtbeinigen Tiere überleben ohne jeglichen Schutz im freien Raum - trotz Vakuum, Kälte und Strahlung
Bärtierchen überleben einen Weltraumtrip
Bärtierchen überleben einen Weltraumtrip
© Marie Lemloh und Karl-Heinz Hellmer
Kristianstad (Sweden) - Es gibt tatsächlich Tiere, die völlig ohne Schutz die Extrembedingungen im All überleben: Tardigrada, auch liebevoll Bärtierchen genannt, halten die dortigen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, das Vakuum sowie heftigste Strahlung aus. Die winzigen Tiere überstanden einen unfreiwilligen Weltraumtrip nicht nur, konnte jetzt ein deutsch-dänisches Forscherteam zeigen - sie waren nach ihrer Rückkehr auf die Erde auch noch in der Lage, sich erfolgreich zu reproduzieren, berichten die Biologen im Fachblatt "Current Biology". Am meisten überraschte die Wissenschaftler die extreme Widerstandskraft gegen starke Strahlung.

"Es bleibt ein Rätsel, wie diese Tiere imstande sind, ihren Körper wiederzubeleben, nachdem sie eine Dosis UV-Strahlung von mehr als 7000 Kilojoule pro Quadratmeter abbekommen haben - und dies auch noch unter den Bedingungen des Raum-Vakuums, was die Empfindlichkeit für Strahlen vermutlich noch erhöht", schreiben Ingemar Jönsson von der Kristianstad University und seine Kollegen. Eine spezielle DNA-Struktur und andere Zellkomponenten, die Schäden verhindern, könnten ebenso an ihrer außerordentlichen Überlebensfähigkeit beteiligt sein wie ein effizientes System zur Reparatur geschädigter DNA, vermuten die Forscher.

Die Forscher hatten ihre tierischen Raumfahrer mit größter Sorgfalt ausgewählt. Tardigrada sind außerordentlich widerstandfähig. Obwohl sie in feuchten Biotopen leben, sind die winzigen Achtbeiner zum Beispiel in der Lage, sich selbst nach langen Zeiträumen der Trockenheit wieder vollständig zu erholen. Die 0,1 bis 1,5 Millimeter kleinen Wirbellosen leben auf feuchten Moosen und Flechten sowie in Meer und Süßwassergewässern. Aufgrund der Zähigkeit hatten die Biologen im September 2007 einige getrocknete Bärtierchen mit der Foton-M3-Mission ins All geschickt. In einem Erdorbit in einer Höhe von etwa 270 Kilometern machten die winzigen Tiere dann einen Ausflug ins All, bei dem sie nicht nur Kälte und Vakuum, sondern auch der UV-Strahlung der Sonne und kosmischer Höhenstrahlung ausgesetzt waren.

Nach der sicheren Rückkehr der Bärtierchen zur Erde stellten die Biologen fest, dass die winzigen Raumfahrer Vakuum und kosmische Höhenstrahlung meist überlebt hatten. Einige wenige hatten es darüber hinaus sogar geschafft, eigentlich tödliche Mengen Sonnen-UV-Strahlung zu überstehen, die etwa 1000fach höher war als auf der Oberfläche der Erde. Derart starke Strahlung ist für die meisten Lebewesen tödlich, da die hochgradig energiereichen Lichtpartikel enorme Schäden an Gewebe und Erbgut verursachen. Die überlebenden Bärtierchen aber waren auch nach dem Weltraumtrip noch in der Lage, sich bestens zu reproduzieren. "Wir erwarten spannende Erkenntnisse darüber, wie die Tiere ihre Zellen und Zellbestandteile schützen und auch reparieren", erläutert Ralph O. Schill von der Universität Stuttgart die Hintergründe der Weltraumtests. "Und auf der Basis dieser Erkenntnisse lassen sich dann neue Methoden entwickeln, um Makromoleküle, Zellen und ganze Organismen besser zu konservieren."

Current Biology
Quelle: "Tardigrades survive exposure to space in low Earth orbit", K. Ingemar Jönsson et al.; Current Biology (Vol. 18, No. 17)


 

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